Fachgruppensitzung Kultur und Medien 2006

Die Sitzung der Fachgruppe „Medien und Kultur“ 2006 präsentierte ein breites Spektrum an Themen aus dem Bereich der Japan bezogenen Medien- und Kulturforschung. Julia Schmitz, M.A. (Universität Düsseldorf), stellte in ihrem Vortrag unter dem Titel „Mutterkult der 1930er Jahre – japanische, deutsche und italienische Frauenzeitschriften im Vergleich“ ihr Dissertationsvorhaben vor, in dem aus einer kulturvergleichenden Perspektive heraus die mediale Darstellung von Mütterlichkeit in einem nationalstaatlichen Zusammenhang thematisiert wird. Durch eine systematische Propaganda in Japan, Deutschland und Italien wurde ein jeweils nationales Weiblichkeitsideal geschaffen, das sich auf die Rolle als Ehefrau und Mutter reduzierte. Anhand von Frauenzeitschriften als Analysematerial sollen diskursive Argumentationslinien aufgezeigt werden, die eine im Mutterkult resultierende organische Verbindung von Mütterlichkeit und Nation bzw. nationalistischer Ideologie unterstützen. Eine zentrale Frage in diesem Forschungsvorhaben lautet also, warum das Konzept der Mütterlichkeit in diesen drei Ländern eine solche Unterstützung erfahren hat und in welcher Form dieses spezielle Konzept ein notwendiger Aspekt und eine Bedingung für die Umsetzung der jeweiligen nationalistischen Ideologie war. Der Vortrag widmete sich unter anderem der Präsentation von drei Frauenzeitschriften (die japanische Zeitschrift Katei, die deutsche Zeitschrift N.S.-Frauenwarte sowie die italienische Zeitschrift Il Giornale della Donna), die allesamt wegen ihrer Organisationsstruktur, insbesondere aufgrund ihrer Herausgeberschaft, als „regierungsnahe“ Presseerzeugnisse eingestuft werden können. Auf der Basis einer ersten Durchsicht des Untersuchungsmaterials stellte sich heraus, dass in diesen Frauenmagazinen die jeweilige Staatsideologie bis zu einem bestimmten Maß und in unterschiedlichen Ausrichtungen widergespiegelt wurde. Neben Artikeln über eine angestrebte Professionalisierung der Mutterrolle (z.B. Artikel zu Hygieneaspekten, zur Kindererziehung, über Mütterschulungen) wurde die Mutterfigur gleichzeitig in anderen Artikeln mythisch verklärt dargestellt. Diese zunächst widersprüchlich erscheinende Ambiguität weist auf zwei Aspekte hin: Zum einen erfüllten die Frauen durch eine Aufwertung ihrer täglichen praktischen Pflichten sowie ihres sozialen Ansehens die (reproduktiven) Aufgaben, die ihnen im Rahmen der nach extrem nationalistisch Gesichtspunkten gestalteten Gesellschaftsordnung zugewiesen wurden. Zum anderen zeigt aber die Betonung der verschiedenen Aspekte auch, dass nicht nur ein einziges und einheitliches Mutterbild existierte, sondern dass es unterschiedliche Konzepte von Mütterlichkeit gab, die auch in den Zeitschriften aufgegriffen und transportiert wurden. Als erstes Zwischenergebnis konnte das Fazit gezogen werden, dass trotz der verschiedenen kulturellen Hintergründe und der darauf basierenden unterschiedlichen Argumentationsstrategien hinsichtlich der Mütterlichkeit als national definierte Aufgabe und Pflicht sich die Darstellungsweisen in den Frauenzeitschriften ähneln. Es wird nun ein nächster Schritt sein, anhand ausgewählter Artikel zu untersuchen, an welchen Punkten die Unterschiede ansetzen und durch welche Strategien diese als „nationale Besonderheit“ definiert werden.

Im Anschluss referierte Sven Engesser, M.A., Doktorand am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München, über seine 2005 an der FU Berlin im Fach Publizistik- und Kommunikationswissenschaft abgeschlossene Magisterarbeit „Der Einfluss des Kisha-Club-Systems auf die Informationsfreiheit: Arbeitsbedingungen von Auslandskorrespondenten in Tokio und Berlin im Vergleich“. Die Arbeit ist am Schnittpunkt von international vergleichender Kommunikationswissenschaft und sozialwissenschaftlicher Japanforschung angesiedelt und basiert auf einer empirischen Untersuchung der Arbeitsbedingungen von Auslandskorrespondenten in Japan und Deutschland. Engesser führte während eines Forschungsaufenthalts in Tôkyô von Juli bis August 2005 eine Befragung von 18 Auslandskorrespondenten, Interviews mit japanischen Medienexperten, teilnehmende Beobachtungen im Foreign Correspondents’ Club of Japan und eine Dokumentenanalyse durch. Im Anschluß daran wurde die Untersuchung in Berlin repliziert. Im Vergleich stellte sich laut Engesser heraus, dass Auslandskorrespondenten in Japan über geringere Informationsfreiheit verfügen als ihre Kollegen in Deutschland. Hauptsächlich der Zugang zu Informationsquellen und die Informationsbereitschaft der Quellen sind in Japan stärker eingeschränkt. In seinem Vortrag stellte Engesser die ermittelten Unterschiede vor und setzte diese in Bezug zu den medienstrukturellen und gesellschaftlichen Besonderheiten der beiden Untersuchungsländer. Besonderes Augenmerk richtete er dabei vor allem auf das japanische Kisha-Club-System und die partikularistische Handlungsweise der japanischen Akteure als Erklärungsmöglichkeit. In der anschließenden Diskussion wurde u.a. ausgiebig die Frage behandelt, inwieweit das Kisha-Club-System mit der Bundespressekonferenz, auf die sich Engesser als Vergleichsobjekt hauptsächlich stützt, verglichen werden kann. Tatsächlich sei diese in Deutschland nicht das Maß aller Dinge, vielmehr gebe es auch hierzulande Seilschaften und Treffen ausgewählter Journalisten mit den betreffenden Politikern. Daneben wurde auch die Frage nach dem Stellenwert der Informationen aus den Presseclubs im Zusammenhang mit der Funktion des Mediums Zeitung allgemein gestellt. So wurde darauf hingewiesen, dass Zeitungen in Japan nur ein Element des Mediensystems darstellten und weitaus mehr eine informative als eine investigativ berichtende Funktion hätten. Insbesondere die investigative Funktion würde von anderen Medien – beispielsweise bestimmten Zeitschriften – weitaus intensiver ausgeübt, die wiederum teilweise nicht den Presseclubs beitreten wollten, um sich nicht deren Kodizes unterwerfen zu müssen.

Der dritte Teil der Fachgruppensitzung war einer Diskussionsrunde zum Thema „Pop culture matters! – Bestandsaufnahme und Desiderate der Forschung zur japanischen Populärkultur“ gewidmet. Insbesondere im Zuge des Booms der Cultural Studies seit den 1990er Jahren hat das Studium der japanischen Populärkultur Einzug in den japanologischen Forschungs- und Lehr-Kanon gehalten und wird nicht zuletzt auch in der Fachgruppe regelmäßig aufgegriffen. In ihrer Einleitung zur Diskussion stellte Cosima Wagner, M.A. (Japanologie Universität Frankfurt) jedoch dar, dass sich die Themenfelder und Ziele der Beschäftigung mit Aspekten der japanischen Populärkultur im Laufe der Zeit gewandelt hätten. Die Frage nach dem „ob“ man sich mit Populärkultur wissenschaftlich beschäftigen dürfe, müsse im Jahr 2006 wohl nicht mehr diskutiert werden. Hier zeige auch ein Blick in die Vorlesungsverzeichnisse der deutschsprachigen Japanologien, dass Manga, Animé, TV-Dramen, J-Bungaku, Kriminalliteratur, Video- und andere Spiele, etc. längst in den Curricula Beachtung fänden. Außerdem sei in der hochinformatisierten Welt des 21. Jahrhunderts „Popkultur“ geradezu zu dem kulturellen Leitcode weltweit geworden. Statt zwischen Populärkultur und Hochkultur unterscheide man nun eher zwischen „mainstream“ und „subculture“. Dieses Thema sei im Jahr 2005 (22.11.2005) bereits auf einer Tagung des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin (JDZB) mit dem Titel „Subculture – Popculture made in Japan“ aufgegriffen worden. Auffällig sei jedoch auch die große Anzahl von Studienanfängern, die sich bereits vor ihrem Studium der Japanologie ausgiebig mit den Produkten der japanischen Populärkultur (Manga, Animé, Cosplay, Visual Kei-Musik etc.) auseinandergesetzt hätten und deren Fan-Verhalten im Studium nun in eine wissenschaftliche Beschäftigung mit Japan umgewandelt werden müsse. Hinzugekommen sei in den letzten Jahren jedoch ein weiterer Aspekt der japanischen Populärkultur: die politische und wirtschaftliche Bedeutung derselben für den japanischen Staat. Akteure dieses Diskurses seien vor allem japanische Politiker, die die Bedeutung der Populärkultur für die zukünftige Kultur-Diplomatie betonten, um Japans Image in der Welt positiv aufzuladen und Japan so im wahrsten Sinne des Wortes besser zu vermarkten. Nachzulesen sei dies z.B. auf der Homepage des japanischen Außenministeriums MOFA ›› Verbindung mit der Soft-Power-Theorie von Joseph S. Nye Jr. und dem „poppigen“ Slogan „Cool Japan“ werde seit 2002 verstärkt von der japanischen Regierung Wissenschaftlern, Politikern und Künstlern etc. über die „Bruttosozial-Coolness“ Japans und ihre finanzielle Rolle für das Bruttosozialprodukt auf der einen, sowie die Bedeutung der Populärkultur für die Stellung Japans in der Welt und in Asien auf der anderen Seite diskutiert. Die Politisierung des Themas eröffne somit ein neues japanologisches Betätigungsfeld, welches im Folgenden ebenfalls in der Fachgruppe zur Diskussion stand. Diskutiert wurde darüber hinaus auch die Frage nach den Hintergründen der Politisierung der japanischen Populärkultur, die Frage nach den Gefahren einer „nationalistischen“ Aufladung des Themas und wie man durch neue Projekte in Forschung und Lehre dem Phänomen des Booms der japanischen Populärkultur allgemein begegnen könne.