Fachgruppensitzung Kultur und Medien 2013

16:00–16:20 Uhr
Diskussion zu aktuellen Themen in Forschung und Lehre im Bereich Kultur und Medien

16:20–16:50 Uhr
„Cleanliness is next to godliness: The culture of cleaning in Japan“ (in German)
Prof. Dr. Anke Scherer (Cologne Business School, Köln)

Das Forschungsprojektes untersucht in welchen Bereichen der japanischen Gesellschaft ein Zusammenhang zwischen Sauberkeit/Ordnung und Glücksgefühl zu finden ist (Sauberkeit/Ordnung im Haushalt, Sauberkeit/Ordnung am Arbeitsplatz, Sauberkeit/Ordnung im öffentlichen Raum, Sauberkeit/Ordnung in religiösen Einrichtungen etc.), wie dieser kulturelle Wert vermittelt wird (Vermittlung von Standards zu Sauberkeit und Ordnung in Familie, Schule, Berufsausbildung etc.) und welche Aussagen sich über diese kulturellen Manifestationen ableiten lassen zur japanischen Vorstellung davon, wie Glück mit Sauberkeit und Ordnung zusammenhängt.

Erste Ergebnisse des Projektes liegen vor in Form einer Untersuchung der Non-Profit Organisation (NPO) Nihon o utsukushiku suru kai (Vereinigung für eine schönes Japan), in der tausende von Freiwilligen in regelmäßigen Aktionen Firmen, Schulen und öffentliche Anlagen gemeinsam putzen und aufräumen, um zum allgemeinen Wohlbefinden beizutragen. Getragen wird diese NPO von Unternehmern, die tägliches gemeinsames Putzen des Firmengeländes praktizieren und damit eine Verbesserung des Betriebsklimas und einen nachhaltigen Umgang mit ihren Ressourcen erreichen.

Sauberkeit und Ordnung sind vor allem kulturelle Kategorien: Schmutz ist die Kategorie, in die Unerwünschtes fällt; Putzen und Aufräumen ist die symbolische Wiederherstellung eines Idealzustandes, den wir kulturell als Sauberkeit und Ordnung erlernt haben. Wer an Aktivitäten zur Wiederherstellung dieses Idealzustandes teilnimmt, hat das Gefühl, sein Leben unter Kontrolle zu haben und seine Umgebung so zu gestalten, dass sie den eigenen Vorstellungen von Sauberkeit und Ordnung entsprechen, was wiederum zur Steigerung des persönlichen Wohlbefindens führt.

16:50–17:20 Uhr
„Ehe, Hund und Kinder? Die Suche nach ‚Glück’ in japanischen Frauenzeitschriften der 1920er und 1930er Jahre“ (in German)
Dr. Torsten Weber (Deutsches Institut für Japanstudien, Tôkyô)

Mehr als in anderen zeitgenössischen Publikationen wurde „Glück“ in der Taishō-und frühen Shōwa-Zeit in Frauenzeitschriften wie Fujin no tomo(1908–), Fujin Hyōron (1912–14) oder Fujin Kōron (1916–44) thematisiert. Dabei wurden vordergründig vor allem Themen des Alltags wie partnerschaftliche Fürsorge, Ehe, Arbeit, Gesundheit und Kinder mit Blick auf ihre Rolle für ein glückliches Leben diskutiert. Durch die Bejahung des Rechts auf ein glückliches Leben wurde so aber auch an sozialkritische und politische Diskurse der Zeit angeschlossen, die das „Streben nach Glück“ mit sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit sowie politischer Mitbestimmung assoziierten. Mein Vortrag analysiert, welche Inhalte durch das allgemein positiv besetzte Konzept „Glück“ transportiert wurden und welche Funktionen diese Konzeptionen des Glücks innerhalb sozio-politischer Diskurse und Realitäten der Zeit einnahmen. Ziel ist es, das sich noch im Anfangsstadium befindende Forschungsprojekt vorzustellen sowie theoretische, methodische und inhaltliche Aspekte zu diskutieren.

17:20–17.30 Uhr Pause

17:30–18:00 Uhr
„The Gender of Colonial Modernity in Overseas Propaganda“ (in German/English)
Prof. Dr. Andrea Germer (Kyûshû-Universität, Fukuoka)

Reaching out to a global audience, Japanese overseas propaganda from the 1930s until the end of the Second World War was heavily coded with gendered imagery. To a substantial degree, this visual propaganda was as subtle and aesthetically pleasing as it was modern and innovative in its popular application of concepts of New Vision. Examining the gendered dimension of imagery conveyed in publications of cultural diplomacy, I also trace how transnational and metropolitan trajectories informed technologies of propaganda production in Japan. Building on Rita Felski’s lucid theoretical observations on the gender of modernity and Tani Barlow’s understanding of colonial modernity, I examine the gendered visuality in local Japanese self-representations aimed at global audiences. In doing so, I interrogate some taken-for-granted ideas about gender, fascism and modernity as well as essentialist divisions between ‘East‘ and ‘West‘.

18:00–18:30 Uhr
„Knowledge about Japanese Masculinity in Anglophone online articles“ (in English)
Constanze Noack, M.A. (Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf)

This presentation focuses on the construction of knowledge of Japanese Masculinity by analyzing Anglophone online articles. In reference to the concept of hegemonic masculinity and discourse analysis by Reiner Keller it is argued that knowledge can be extracted that is used to subordinate Japanese masculinity and also demonstrates what constitutes knowledge about masculinity in the Anglophone area. This will be approached by focusing on online material that uses the buzzword of sōshoku danshi or „herbivorous boy“. It will be demonstrated that despite constructing the herbivore men as a subordinate Japanese masculinity genuine to Japan the unstable position of the Japanese Salaryman is also used to marginalize Japanese men from an Anglo-phone hegemonic viewpoint.

18:30–19:00 Uhr
„Defining contemporary Okinawan literature: Narrative production in a Pacific and ‚neo-imperial’context“ (in German)
Oliver E. Kühne, M.A. (Freie Universität Berlin)

Das Ziel meines seit Januar 2011 verfolgten Forschungsprojekts kann unter einer prägnanten Fragestellung subsumiert werden: Wie kann oder müsste man den äußerst arbiträr verwendeten Term „Okinawa bungaku“ für japanischsprachige Nachkriegsliteratur heute beschreiben? Wie lässt sich eine brauchbare und vielschichtige Definition erzeugen, die a) okinawanische Literatur in einem globalen und nicht nur japanischen Kontext komparatistisch betrachtet, b) bis dato kanonisierte Werke mit einschließt und c) den starken Wandel im Schreiben (im Bezug auf Themen, Genre und sprachliche Aspekte) speziell junger okinawanischer Autoren seit Anfang der 1990er Jahre berücksichtigt? Da die bis heute gebräuchlichen Definitionen von „Okinawa bungaku“ nicht nur äußerst vage, sondern zudem sich teilweise widersprechend sind, sollen auf dem theoretischen Hintergrund der Postcolonial Studies und World Literature Theory hauptsächlich ausgewählte Werke und ihre jeweiligen Adaptionen der bisher kaum wissenschaftlich bearbeiteten okinawanischen Autoren Matayoshi Eiki (*1947; u.a. Akutagawa-Preisträger) und Ikegami Ei’ichi (*1970; u.a. Fantasy Novel-Preisträger) analysiert und im Kontext okinawanischer Literatur eingeordnet werden, da die Werke dieser Autoren kaum in das als typisch betrachtete Schema einer „teikōsuru bungaku“ (Widerstandsliteratur) eingeordnet werden können.

Der Fokus der sich anschließenden komparatistischen Analyse wird auf einen Vergleich zu japanischen Medien-Booms (und auch der dortigen Konstruktion Okinawas) und hawai’ianischer Nachkriegsliteratur gelegt, um die äußerst divergenten diskursiven Hintergründe zu Konstruktionen okinawanischer und pazifisch „neo-imperialer“ Identitäten zwischen hegemonialer und autochthoner Zuschreibung freizulegen. Speziell die Konstruktion autochthoner Identität kann deutlich ambivalenter sein, als direkte Kritik an hegemonialen Machtstrukturen wie Japan oder den USA. Auf Basis dieser multiplen, narrativ geschaffenen Identitäten soll eine offene und eben nicht „ghettoisierte“ neue Definition okinawanischer Literaturen erörtert werden, welche narrative und thematische Allianzen nicht unbedingt zu Japan, sondern zu ähnlichen Schreibstrategien greifenden „Regionen“ wie Hawai’i oder Guam sieht.

Für dieses Projekt, welches u.a. durch den DAAD und die Toshiba Foundation gefördert wurde, habe ich mehrfach auf Okinawa und in Tokyo Feldforschung in Form von Experteninterviews und Archivarbeit betrieben und der Vortrag präsentiert multiple Ergebnisse dieser Forschungstätigkeit.

Parallel: 18:00–19:00 Uhr Zusammenarbeit mit der Fachgruppe Bildung und Erziehung

18:00–18:30 Uhr
„Selbstdarstellungen im Mangapamphlet ‘Prinz Pickles –Reise zum Frieden’ – Eine Beispielanalyse der Öffentlichkeitsarbeit der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte“ (in German)
Hannah Janz, B.A. (Freie Universität Berlin und Goethe-Universität Frankfurt)

Mit welchen Mitteln und Inhalten erzählen die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte von sich, wenn ihre militärische Funktion durch die Verfassung eingeschränkt wird und ein Großteil der Gesellschaft, der sie dienen sollen, antimilitaristisch denkt? Brisanz bekommt die Fragestellung durch die aktuellen Vorstöße der LDP-Regierung zur Verfassungsänderung: Haben die Jieitai Demokratie und zivile Kontrolle tatsächlich verinnerlicht?
Anhand des an Kinder gerichteten Mangapamphlets „Pikurusu Ōji – Heiwa he no tabi“ (Prinz Pickles – Reise zum Frieden), das seit 1990 fest zum Portfolio der Öffentlichkeitsarbeit des Verteidigungsministeriums gehört, soll diese Problematik diskutiert werden. Die Untersuchung bedient sich im Zusammenspiel mit einer narrativpiktoralen Analyse politik-und kulturwissenschaftlicher Theorien und Thesen zu Sicherheitskultur, Antimilitarismus, Postheroismus, zum Genre der Lern-Manga und zu Heldenerzählungen in Märchen und Popkultur, um normative Kodierungen aufdecken und das Spannungsfeld zwischen der Selbstdarstellung und Selbstlegitimierung im Manga und der politisch-gesellschaftlichen Realität der Selbstverteidigungsstreitkräfte aufgliedern und bewerten zu können.

18:30–19:00 Uhr
„Familie in Satoshi Mikis Film ‚Ten ten’“ (in German)
Bastian Nonneberg, M.A. (Universität Kanazawa)

Ein Film kann spielerisch mit sozialen Strukturen umgehen und für den Betrachter mögliche gesellschaftliche Veränderungen aufzeigen und diskutieren. Film als Medium ist in die Kultur einer Gesellschaft integriert und gestaltet diese mit (vgl. Thomas; Krotz 2008: 23). Das macht Film zu einem für Kultur-und Sozialwissenschaften relevanten Untersuchungsobjekt. Ein in der modernen japanischen Gesellschaft viel diskutiertes Thema ist die Familie. Konservative Ideologien dominieren den Diskurs zwar, kollidieren aber kontinuierlich mit der reellen Situation. Häufig wird der Begriff Familie auch naturalisiert verwendet, ohne eine Definition zu bieten. Dabei ist eine Begriffsbestimmung sozialpolitisch äußerst relevant „weil damit bestimmt wird welche Lebensformen gesellschaftlich legitimiert sind und als besonders schutz-und förderwürdig gelten sollen.“ (Schneider, 2012).
Satoshi Mikis Film „Ten ten“ liefert nicht nur visuell eine Definition von Familie, er diskutiert auch verschiedene Familienformen und liefert mit der originellen Idee der freiwillig gewählten, temporalen Patchworkfamilie einen neuen Beitrag zum Diskurs um Familie. Der Protagonist des Films wurde als Kind von seinen Eltern verlassen, was dazu führt, dass er sich in der Gesellschaft nicht zurecht findet und der Spielsucht verfallen in den Tag hinein lebt. Erst als sich eine Vaterfigur in sein Leben drängt findet er langsam einen Weg aus seiner sozialen Isolation. Mit einer, dem Protagonisten unbekannten, Frau und einem Mädchen leben die beiden Männer für kurze Zeit zusammen unter einem Dach und bilden eine Quasi-Familie. Die Vier verhalten sich untereinander solidarisch, verstehen sich als Teil der Gruppe und akzeptieren ihre Rolle innerhalb der Gemeinschaft. Damit erfüllen sie die von Huinink aufgeführten Voraussetzungen einer Familiengemeinschaft (2009). Während der Film die soziale Instanz der Familie in Frage stellt und alle dargebotenen herkömmlichen Familienformen zum Scheitern verurteilt bietet er einen Lösungsvorschlag in Form von familiarem Rückhalt auf temporär beschränkter Basis.

Prof. Dr. Fabian Schäfer
Dr. Elisabeth Scherer
Dr. Cosima Wagner
Prof. Dr. Urs Matthias Zachmann