Fachgruppensitzung Politik 2000

Das Rahmenthema der VSJF-Jahrestagung in Heidelberg, „Japan im Vergleich“, zog sich auch durch die diesjährige Sitzung der Fachgruppe Politik. Vorgestellt und diskutiert wurde jeweils ein Thema aus den Internationalen Beziehungen und aus der Vergleichenden Politikwissenschaft.

Dr. Dirk Nabers vom Institut für Asienkunde in Hamburg stellte unter dem Titel„Kollektive Selbstverteidigung in Japans Sicherheitsstrategie“ Ergebnisse seiner Dissertation zum selben Thema vor. Im Einklang mit dem Anliegen der Rahmentagung, den Schwerpunkt auf methodische und theoretische Aspekte zu legen, stellte auch Nabers ausführlich seine methodischen Überlegungen zur Bearbeitung des Themas vor. Die Arbeit behandelt konkret den Ratifizierungs-prozess der 1997 verabschiedeten guidelines zur Verteidigungskooperation mit den USA. Untersucht wird das Spannungsverhältnis von innenpolitischer Ratifikation und außenpolitischer Sanktion, denn die Bekanntmachung der guidelines löste bekanntlich einige Entrüstung vor allem von Seiten der VR China aus, weil der Begriff Nihon shûhen chiiki ni okeru jitai (Situation in der Umgebung Japans) nicht eindeutig geklärt wurde. Zur Analyse des Prozesses verwendet Nabers einen Ansatz, der unter anderem versucht, die internationale Ebene von Entscheidungen mit der Ebene der innenpolitischen Akteure zu verbinden. Kritisch angemerkt wurde indes, dass dieser Ansatz (a) das internationale System als Konstante betrachtet und wenig Raum für dynamische Veränderungen enthält, (b) den autonomen Handlungsspielraum von Regierungen nur unzureichend reflektiert, und (c) die Anzahl der Analysevariablen sehr hoch ist. Insofern liess sich die Frage, was mit einem Gesetzesentwurf wie den guidelines in der Phase zwischen der öffentlichen Bekanntgabe und der Ratifizierung geschieht, mit diesem Ansatz alleine nicht erschöpfend beantworten.

Aus seiner Gesamtuntersuchung folgerte Nabers, dass die Theoriedebatte im Fachgebiet Internationale Beziehungen noch in den Kinderschuhen stecke und wenig Instrumentarien biete, um die Determinanten des Ratifizierungsprozesses in der internationalen Kooperation zu analysieren. Diese Interpretation wurde anschließend in der Fachgruppe diskutiert. Der Beitrag regte zur Untersuchung vergleichbarer Fälle nicht nur aus der japanischen Politik an. (Die Dissertation ist im Oktober 2000 in der Mitteilungsreihe des Instituts für Asienkunde in Hamburg [Nr. 326] erschienen.)

Den zweiten Beitrag der Sitzung präsentierte Dr. Claudia Derichs, Universität Duisburg, mit der Vorstellung eines in Duisburg laufenden Projektes (Leitung: Prof. Dr. Thomas Heberer) zum Vergleich politischer Diskurse in der Region Ost- und Südostasien. Ausgegangen wird von der Annahme, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise in Asien über die ökonomische Dimension hinaus eine politische Dimension besitzt. Sie hat nämlich in nahezu allen Ländern Ost- und Südostasiens eine Auseinandersetzung und einen Diskurs über die politischen Ursachen der Krise und damit über die Zukunft der politischen Strukturen und Systeme in Gang gesetzt. Zwar scheint die Diskussion in den einzelnen Ländern ganz unterschiedlich zu verlaufen, gleichwohl lassen sich anfängliche transnationale Prozesse und Diskussionszusammenhänge erkennen.

Das Projekt hat das Ziel, diese im Westen bislang unzureichend rezipierte und dokumentierte neuere Debatte über Demokratie, Partizipation und politische Zukunftsentwürfe aufzuarbeiten, zu kategorisieren und Gemeinsamkeiten wie Unterschiede heraus-zuarbeiten. Besonderer Wert soll hierbei auf mögliche „Synthesediskussionen“ gelegt werden, die indigene Vorstellungen und Ideen mit westlichen – frei nach Sugimoto Yoshio: emische und ethische Vorstellungen und Ideen – zu verbinden suchen und auch als Ausdruck gestiegenen Selbst-bewußtseins in der Region zu begreifen ist. Im Gegensatz zu Forschungsansätzen, die empirische Demokratiemessung über quantitative Indizes erreichen wollen und auf einer impliziten Dichotomie Demokratie vs. Nichtdemokratie beruhen, soll im Rahmen dieses Forschungsvorhabens dem Prozeßcharakter von Diskurs und politischer Praxis Rechnung getragen werden. Zugleich sollen die regionalen Diskurse Ausgangspunkt der Analyse sein. Untersucht werden zwei autoritäre, sich gleichwohl pluralisierende Staaten (China und Vietnam), ein multi-ethnischer, formaldemokratischer Staat mit starken, autoritären Zügen (Malaysia) und ein demokratischer Staat mit starken, parochialen Strukturen und Verhaltensmustern (Japan). Die Frage, inwieweit die „Asienkrise“ tatsächlich einen erneuten Push-Effekt für die politische Reformdiskussion in Japan besaß, wurde in der Fachgruppe kritisch diskutiert.

Im Anschluss an den inhaltlichen Teil diskutierten die TeilnehmerInnen über die Beiträge aus der Fachgruppe zur kommenden Jahrestagung in Berlin. Ein Ergebnis der Diskussion ist der call for papers im vorliegenden newsletter; die Einladung eines/r Gastsprechers/in aus dem Ausland wurde von der Gruppe als sehr wünschenswert erachtet. Abhängig ist dies freilich von den Möglichkeiten der Finanzierung.