Fachgruppensitzung Technik 2018

Begrüßung: Susanne BRUKSCH (Deutsches Institut für Japanstudien, DIJ Tōkyō) und Cosima WAGNER (Freie Universität Berlin)

Autonomie-Sicherheits-Paradox der Servicerobotik in Japan (Hironori MATSUZAKI, Universität Oldenburg)

Service- und Pflegeroboter befinden sich an der Schwelle zur Wildnis des Alltags, wo sie mit unerfahrenen Laien in einer sich verändernden Umgebung interagieren sollen. Um wie vorgesehen funktionieren zu können, müssen Roboter eigenständige Entitäten werden, die sich selbst überwachen und auf Basis von Lernergebnissen in der Praxis ihr eigenes Verhalten optimieren. Daraus ergibt sich eine große Herausforderung an die Robotik, die als das „Autonomie-Sicherheits-Paradox“ (ASP) bezeichnet werden kann. Die Integration von lernfähigen autonomen Robotern in die Gesellschaft erfordert einen Abgleich zwischen zwei widersprüchlichen Aspekten: Erhöhung der Maschinenautonomie und Gewährleistung der Sicherheit in der Nutzung. Wenn dem Roboter bei der Aufgabenausführung ein großer operativer Freiraum eingeräumt wird, d.h. sein Verhalten durch lernende Algorithmen gesteuert wird, wird es schwer bzw. unmöglich, bei Schäden, die er anrichtet, einen Pfad der Verantwortungszurechnung zu finden. Dieses Problem lässt sich nur umgehen, wenn das autonome Funktionieren des Roboters beschränkt wird. Für die Anwendungsfelder der neueren Robotik stellt die Bewältigung des ASP eine grundlegende Herausforderung dar, für die jeweils eine praktische Lösung gefunden werden muss. Der Roboter ist ein Artefakt, dessen Nutzung sowohl durch rechtliche Anforderungen als auch durch technische Entwicklungsperspektive bestimmt sein muss. Meine Studie zeigt, dass in Japan die institutionelle Umrahmung des ASP sowie die konkreten Lösungen für dieses Problem durch zwei Aspekte gekennzeichnet ist: (1) die Bagatellisierung von Maschinenautonomie und (2) das Konzept der sicheren kontrollierbaren Mensch-Roboter-Interaktion.

Der dominante Safety Focus: Patientnutzen, medizinisches Risiko und  öffentliche Erwartungshaltung bei der Zulassung von Medizintechnologie in Japan (Susanne BRUKSCH, Deutsches Institut für Japanstudien, DIJ Tōkyō)

Die japanische Regierung listet Medizintechnik als einen Schwerpunkt, um das Ziel einer „healthy and active ageing society as a top-runner in the world“ zu erreichen. Medizinische Geräte können menschliche Körper manipulieren mit Instrumenten mit sehr geringem Risiko bis hin zu solchen, die hochgradig invasiver Natur sind. Dies führt zu der Frage, wie „Sicherheit“ im Kontext von medizintechnischen Anwendungen in Japan verstanden wird und wie sich dies auf die Zulassungspraxis auswirkt. Laut Ulrich Beck (2006), handelt es sich bei den Kategorien „Sicherheit“ und „Risiko“ um sozio-kulturelle Konstrukte, die je nach Kontext unterschiedlichen Ausformulierungen unterliegen. Die Forschungsliteratur beispielsweise weist an verschiedenen Stellen auf einen „Device Lag“ in Japan hin. Dieser ist augenscheinlich durch einen dominanten Safety Focus verursacht, der zu Lasten jener Patienten geht, die dringend auf neuartige Behandlungsmethoden angewiesen wären. Verschiedene Quellen kritisieren den Umstand, dass dies nicht nur Innovationen behindert, sondern auch den Zugang zu neuen Technologien als einem wichtigen Patientenrecht unterbindet. 2014 gab es zwar eine Gesetzesreform in Japan, die die Zulassungsverfahren in der Pharmaceutical and Medical Device Agency (PMDA) neu organisierte. Ungeachtet dessen bleiben Stimmen hörbar, dass die PMDA weiterhin einem hohen öffentlichen Erwartungsdruck ausgesetzt ist. Diese Erwartungshaltung beinhaltet „the absent of any risk“, während in der EU und den US medizintechnische Sicherheit als „avoidance of not acceptable risks“ verstanden wird. Aufgrund der politischen Natur der Thematik in Japan, scheinen die MitarbeiterInnen der PMDA Schwierigkeiten zu haben, wie sie die hohen Sicherheitserwartungen mit dem geeigneteren Ansatz der „bearable risks“ in Einklang bringen können. Der Vortrag stützt sich auf vorläufige Ergebnisse einer Interviewstudie von 2016, um das widersprüchliche Sicherheitskonzept in diesem Bereich zu veranschaulichen.

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