Fachgruppensitzung Wirtschaft 1999

Unser Treffen im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung auf Schloß Eichholz war wieder gut besucht. Hier in Kürze ein Resumee der Tagesordnungspunkte:

Vorstellung der Teilnehmer
Um den Überblick über den Hintergrund und die aktuellen Arbeiten der Fachgruppenmitglieder nicht zu verlieren, wird der Fachgruppenleiter im neuen Jahr eine Umfrage starten. Das Ergebnis soll dazu dienen, die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Gruppenmitgliedern zu verbessern.

Vortrag von Gunter Schnabl, Uni Tübingen, zum Thema: „Der Yen und die japanische Konjunktur“

Gunter Schnabl gab uns in seinem halbstündigen Referat einen fundierten und klar strukturierten Einblick in eine aktuelle und wirtschaftspolitisch hoch brisante Thematik („Braucht Japan eine Inflationspolitik?“), zu der er selbst auch eine klare Position bezog („Nein!“). Er lieferte uns damit hervorragenden Stoff für die Diskussion, die entsprechend lebhaft, aber ausgesprochen sachlich verlief.

Projektvorstellungen:

a) Franz Waldenberger berichtet über die Bemühungen nach der Schließung der Japan Studien- und Informationsstelle am ifo-Institut in München eine Transferstelle einzurichten, mit deren Hilfe die Synergien zwischen Wissenschaft und Lehre auf der einen sowie Wirtschaft und Verwaltung auf der anderen Seite genutzt werden können. Über den weiteren Verlauf wird er die Fachgruppe in Kenntnis setzen.

b) Cornelia Storz stellt eine laufende Forschungsarbeit zuStandardisierungsprozessen in Japan am Beispiel der Einführung der ISO 9000 (Qualitätsmanagement) dar. Im folgenden eine ausführliche Zusammenfassung des Beitrags durch die Referentin:

Standards sind als Regeln zu interpretieren, da bei einer solchen Definition sehr viel deutlicher die Spielräume auf seiten der Addressaten und damit auch deren mentale Konstrukte bedeutsam werden: Sie sind es, die innerhalb der gesetzten Regeln den Code dekodieren. In ihrer Interpretation sind sie, worauf ja bereits Hayek verwies, von Kultur i.S. von Kontextabhängigkeit in Raum und Zeit geprägt. Rigiditäten, die sich in der Implementation des internationalen Standards gezeigt haben, können so auch als Ergebnis rationalen Verhaltens interpretiert werden, durch welches hohe Implementations- und Entwertungskosten vermieden werden. Damit werden Lernprozesse für die ökonomische Analyse relevant. Fragen der Standardsetzung werden so auch für Fragen von Transformation und Persistenz bedeutsam:

Erstens: Zur Frage der Persistenz: Könnte es nicht sein, dass Beharrungsmomente im institutionellen Wandel sogar komparative Wettbewerbsvorteile bedeuten? Kann Wettbewerb nicht als Wettbewerb zwischen spezifischen nationalen Innovationssystemen („Trajektorien“) aufgefaßt werden? Ist nicht denkbar, dass die unterschiedliche institutionelle Ausgestaltung von Ländern zu „institutional advantages“ führt, also, in Anlehnung an die klassische Außenhandelstheorie, komparative Vorteile mit sich bringt? Ist nicht erstaunlich, dass „plötzlich“ das „japanische System“ als nicht mehr geeignet erscheint, um wettbewerbsfähig zu sein? Die Frage, die sich angesichts der – bisher sehr erfolgreichen – japanischen Produkt- und Arbeitsorganisation stellt, müßte daher weniger lauten: Wann findet (so der Tenor – endlich) Konvergenz statt, sondern: Welche komparativen Vorteile besitzt sie? Wie können institutionelle Vorteile gestärkt werden? Also: worin bestehen die Wettbewerbsvorteile der japanischen Produkt- und Arbeitsorganisation? Welche Rolle spielen exklusive Standards in diesem Kontext? So gewinnen Lernprozesse im Unterschied zur Transaktionskosteneffizienz eine immer größere strategische Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Durch exklusive Standards im Produkt- und Prozeßbereich werden Koordinationskosten gesenkt, da Kunde und Abnehmer den gleichen technischen, kommunikativen und sozialen Code und deren Dekodierung beherrschen. Dies spricht für Wettbewerbsvorteile und einen Fortbestand exklusiver Standards, wie wir sie in Japan finden, da diese – vereinfacht formuliert – gruppenspezifisch definiert werden, zumindest in den Fällen, in denen eine enge Kooperation zwischen Hersteller und Zulieferer vorliegt, denn exklusive Standards können zu einer höheren Lern- und Investitionsbereitschaft führen. Exklusive Standards dürften daher zumindest mit Systemzulieferern Bestand haben.

Zweitens: Eine weitere, möglicherweise etwas gewagtere These in Richtung Transformation und zur Frage von Konvergenz und Divergenz: Es scheint, dass die Existenz von Regeln kulturelle Vielfalt ermöglicht. Im Falle des untersuchten Qualitätsstandards ISO 9000 war trotz der Vorgabe von Handlungsanweisungen eine solche unternehmerische Freiheit gegeben. Neben institutioneller Schwerkraft (Beharrungsmomenten) werden Gestaltungsmöglichkeiten deutlich. Wenn selbst unter dieser, von Hayek, Eucken u.a. kritisierten Form der positiven Regelsetzung, wie wir es bei ISO 9000 finden, Handlungsfreiheit möglich ist, um wieviel mehr dürfte dies dann für negative Regeln gelten? In Analogie, die im einzelnen dann aber noch untersucht werden müßte, könnte dies für Ordnungen jeglicher Art gelten – die Definition von Regeln garantiert unternehmerische Freiheit, und damit auch unterschiedliche Interpretationsspielräume der Akteure: Konvergenz ist nicht nur nicht wünschenswert, sondern schlicht nicht möglich.

Vermarktung von Japan-Wissen:
Roman Ditzer berichtet über seine Erfahrungen, Japan-Kompetenz unternehmerisch zu vermarkten. Gemeinsam mit Hans-Jürgen Classen, Tokyo, hat er inzwischen zwei Beratungsunternehmen gegründet („interlogue“ und „vaios“). Als Beispiele erfolgreicher Japan-Vermarktung stellt er die unter den Begriffen Kaizen bzw. Lean Production firmierenden Beratungsaktivitäten vor.

Sonstiges:
Werner Pascha und Cornelia Storz informieren, dass der seit mehreren Jahren laufende KMU-Workshop unter einer erweiterten Fragestellung „Ordnung und Organisation“ weitergeführt wird. Das erfolgreiche Konzept des KMU-Workshops, Praktiker einzubeziehen und andere wissenschaftliche Institutionen in Deutschland als Koorganisatoren zu gewinnen, soll beibehalten bleiben. Themenvorschläge zu Schwerpunktsetzungen innerhalb des genannten Rahmenthemas für das nächste Jahr sind willkommen.