Fachgruppensitzung Kultur und Medien 2005

Auf der diesjährigen Sitzung der Fachgruppe wurden zwei Forschungsvorhaben bzw. laufende Projekte aus den Themenbereichen „cinema / film studies“ und „urban studies“ vorgestellt. Alexander Zahlten, der an der Universität Mainz (Filmwissenschaften) an einem Promotionsvorhaben zum Thema Genreentwicklung im japanischen Film seit den sechziger Jahren arbeitet, referierte zum Thema „Pink Film vs. Nuovo Cinema Paradiso: Zur Definition von Geschlecht in Kinoräumen und durch Kinoräume“. Der Vortrag widmete sich u.a. Gender-Aspekten in der Entwicklung von Kinoräumen seit den sechziger Jahren. Dabei wurden Kinoräume definiert als ein Komplex aus dem filmischen Text und dem sozialen Raum, in dem sie rezipiert werden. Wie Alexander Zahlten deutlich machte, beruht die Verschränkung des sozialen Raums mit dem filmischen Text auf einer Reihe historisch spezifischer Faktoren, die von herrschenden Moralvorstellungen und demographischen Faktoren bis hin zu Arbeitsmarktstruktur und Grundstückspreisentwicklungen reichen. Im Vortrag wurden insbesondere die folgenden drei Formen von Kinoräumen beleuchtet:

  • „Pink-Film-Kinos“, die seit Mitte der sechziger Jahre auf (japanische) Softsex-Filme spezialisiert waren und ein hauptsächlich männliches Publikum ansprachen;
  • „Minitheaters“, die sich seit den frühen achtziger Jahren mit (ausländischem) Kunstkino eine neue Schicht von Zuschauerinnen eroberten;
  • Multiplex-Kinos, die seit den neunziger Jahren insbesondere im urbanen Räumen dominieren.

Alle drei Kinoraum-Genres wurden u.a. in Hinsicht auf ihre Lokalisierung, ihr Zielpublikum, ihre Werbestrategien, ihre Kapitalstruktur, ihre öffentliche Sichtbarkeit und Eigenschaften der filmischen Texte (die die Räume mitkonstituierten) analysiert. Die ersteren beiden Kinoraum-Genres zeigten den Trend zur zunehmenden Segmentierung des Publikums und der Spezialisierung von Räumen auf, wobei die „männlich“ definierten Räume deutlich „japanisch“ konnotiert waren, die „weiblich“ definierten hingegen eher „westlich“. Die neueste Entwicklung der Multiplex-Kinos löst diese Konnotationen jedoch auf, um einen symbolisch ungebundeneren und damit inklusiveren Raum zu schaffen. Damit wird die Segmentierung des Publikums (scheinbar) aufgelöst, ein gemeinsamer Gesellschaftsraum simuliert und ein effizienter kommerzialisierbarer Raum etabliert.

Im Anschluß referierte Heide Jäger , MA, Dipl.-Ing., Doktorandin am MIRIAD (Manchester Institute for Research and Innovation in Art and Design, Manchester Metropolitan University, UK) über ihre in Arbeit befindliche Dissertation Urban Complexity: The dynamics of urban public space in an everyday perspective – An inter-disciplinary framework to study cities in Japan / Stadt und Komplexität: Die Dynamik des urbanen Raumes aus der Sicht des Alltäglichen – Eine interdisziplinäre Betrachtung der Stadt in Japan . Heide Jäger geht von der These aus, dass Städte zum einen gebauter Ausdruck kultureller Werte sind, und zum anderen ein dynamisches, sich rasch veränderndes Gefüge von Menschen, Informationen und Gebäuden aller Art darstellen. Darüber hinaus ist städtischer Raum von den unterschiedlichsten Lebensformen der Bewohner geprägt, von deren Ritualen, sozio-räumlichen Bewegungen und Interaktionen, die den jeweiligen Räumen ihre spezifische Bedeutung zuschreiben. Ein wichtiges Merkmal der gegenwärtigen Situation von Städten ist darin zu sehen, dass aufgrund der globalen Rezeption von Moden, Ideen etc. sowie der globalen Einflussnahme u.a. von Baukonzernen Architektur und die städtischen Räume, die sie hervorbringt, zunehmend homogener werden.

In der Folge entstehen mehr und mehr städtische Räume, denen lokale, historische und kulturelle Bedeutungen abhanden gekommen sind. Vor diesem Hintergrund sind Städte in Japan ein besonderes lohnendes Forschungsobjekt. Zum einen ist japanische Architektur von einer intensiven Rezeption europäischer und nordamerikanischer Raumvorstellungen gekennzeichnet, zum anderen werden diese importierten, global wirksamen Ideen in bestehende lokale räumliche Beziehungsmuster integriert. In ihrer Studie geht Heide Jäger insbesondere der Frage nach, inwieweit lokale Praktiken des Alltagslebens an der Formierung und Ausgestaltung von städtischen Räumen in Japan beteiligt sind. Kurz, welchen Anteil haben die Bewohner an der Gestaltung der bebauten Umwelt? Ziel dieser Studie ist zu zeigen, dass die Makroebene – Fragen der Stadtplanung und urbanen Morphologie – untrennbar mit Prozessen auf der Mikroebene – dem Alltagsleben – verknüpft ist. Dies zeigt sich besonders deutlich an einer spezifischen Form „kleiner Räume“ in Japan, nämlich den Zwischenräumen und den kleinen Gassen, die in den letzten Jahren zunehmend stärker beachtet werden, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie sich in Opposition zu großräumigen, von globalen Tendenzen inspirierten Planungen auf der Makroebene befinden.