Fachgruppensitzung Soziologie und Sozialanthropologie 2005

Die Fachgruppe Soziologie und die Fachgruppe Erziehung tagten dieses Jahr in einer gemeinsamen Sitzung, da die angemeldeten Referate Bezug zu beiden Fachgruppen aufwiesen.

Als erste Referentin berichtete Bettina Rabe, Heidelberg, von ihrem Dissertationsprojekt zum Thema „Menschenrechtsbildung in Japan innerhalb der United Nations decade for human rights education 1995-2004: Implementierungsprozesse im Rahmen des National plan of action for human rights education sowie didaktische Ansätze“. Als im September 2003 das Deutsche Institut für Menschenrechte sein Kompendium für einen Nationalen Aktionsplan für Menschenrechtsbildung in Deutschland vorstellte und verschiedene internationale Ansätze präsentiert wurden, konnten die Verfasser/innen aufgrund der Sprachbarriere weder den japanischen Nationalplan, der bereits 1997 vorlag, noch die folgenden Jahresberichte berücksichtigen, in denen die japanische Regierung über den Status quo ihrer menschenrechtsbildenden Maßnahmen und über erste Evaluationen Auskunft geben. Ziel des Dissertationsprojekts ist, die aktuelle japanische Situation vor dem generellen Hintergrund der Notwendigkeit für Menschenrechtsbildung (MRB) authentisch erfassen und so zur Strukturierung einer effektiven Bildungssemantik für Menschenrechte beizutragen. Das Forschungsinteresse von Bettina Rabe gilt einerseits der Frage nach der Implementierungsdynamik und andererseits der Frage, welche Rechte aus den allgemeinen Konventionen direkt oder indirekt aufgegriffen werden. Als Analysematerialien dienen ihr neben Jahresberichten, Weißbüchern und dem National Plan of Action auch didaktische Materialien wie Lehrbücher für den Moralunterricht an Mittelschulen oder menschenrechtsdidaktisches Material. Diese Quellen werden mittels qualitativer Kontentanalyse auf die Kontinuität der Implementierung, auf Dokumentationsstufen der Erstellung von Lehr- und Lernmaterialien, auf die didaktische Relevanz, Verfügbarkeit und Repräsentativität der Menschenrechtsmaterialien sowie auf Mechanismen der Evaluation untersucht. Erstes Teilergebnis ist die Festlegung von Zielgruppen (Betroffenen und Gruppen, die Menschenrechte schützen sollen) und inhaltlichen Schwerpunkten (Familie und intergenerationaler Dialog).

Im Anschluss daran berichtete Mikiko Eswein, Düsseldorf, aus ihrer abgeschlossenen Habilitation zum Thema „Meritokratie im deutsch-japanischen Vergleich“. Ausgangspunkt des Referats war die überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenrate von Jugendlichen, die in Japan ein umso größeres soziales Problem darstellt, als traditionellerweise die Berufsausbildung in den Firmen erfolgt und arbeitslose Jugendliche daher keine Ausbildung erhalten. Eswein stellte die Personalentwicklung in japanischen Großunternehmen im Kontext der Professionalisierung von Blue- und White Collar-Berufen vor und konstatierte, dass der deutsche Begriff Personalentwicklung auf Japan nicht anwendbar sei und dass daher von human resource management gesprochen werden solle. Anhand von drei Perspektiven der beruflichen Organisation von Arbeit wurde der Wandel im human resource management japanischer Großunternehmer analysiert. Dabei erwiesen sich die funktionalistische und die neo-institutionalistische Perspektive als anwendbar, die machttheoretische wurde von der japanischen Datenlage widerlegt. Zwischen 1947 und 1989 verschob sich der Schwerpunkt der Berufsausbildung von den Mittelschul- zu den Oberschulabsolventen und von allgemeinen technischen Fertigkeiten auf firmenspezifische technische und nicht-technische Fähigkeiten. Die Hypothese, dass die Existenz des herkömmlichen japanischen Modells der Berufsbildung heute gerade wegen der übertriebenen Missachtung der Chancengleichheit bedroht sei, wurde widerlegt.

Als dritte Referentin stellte Elena Voyteleva, Universität Wien, ihr Dissertationsprojekt mit dem Arbeitstitel „Career Women in Modern Japan: the Right to Work and Have a Family“. Ausgangspunkt ihrer Ausführungen war der Standpunkt, dass Frauen in Japan heute am Arbeitsplatz diskriminiert werden, was anhand von neusten Statistiken und einigen Beispielen exemplifiziert wurde. Seit der 1985, dem Ende der UNO-Dekade der Frauen, wurden verschiedene gesetzliche Maßnahmen erlassen: zunächst, um berufliche Diskriminierungen von Frauen zu verringern, und seit Mitte der 1990er Jahre unter dem Eindruck sinkender Geburtenraten, um die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf zu verbessern. Die Umsetzung der Maßnahmen scheitert an der – statistisch gesehen – fehlenden Beteiligung der Ehemänner an Haushalt und Kinderbetreuung ebenso wie am unzulänglichen Angebot an öffentlichen Kindergärten. Die Fragen, denen in der Dissertation nachgegangen werden soll, betreffen einerseits den Entscheidungsspielraum und die Entscheidungs-grundlagen von berufstätigen Frauen für oder wider Familie, andererseits die legislativen, wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren, die sich unterstützend oder hemmend auf eine Verbindung von Karriere und Familie auswirken. An Daten sollen offizielle Statistiken von Regierung, Gewerkschaften und Forschungseinrichtungen ebenso wie Umfragen, Gesetzestexte und Zeitungen herangezogen werden; überdies sind qualitative Interviews vorgesehen. Methodisch wird eine Triangulation von qualitativen und quantitativen Verfahren angestrebt.

Im Anschluss an die Diskussion der Beiträge bestimmte die Fachgruppe Soziologie neue Fachgruppenleiter: Christoph Brumann und David Chiavacci. Den bisherigen Fachgruppenleiterinnen Karen Shire und Ingrid Getreuer-Kargl sei hiermit herzlich für ihre Arbeit gedankt.

Ingrid Getreuer- Kargl (Universität Wien) und Anemone Platz (Universität Aarhus)