Fachgruppensitzung Soziologie 2003

Wolfram Manzenreiter übernahm stellvertretend die Moderation der Sitzung der Fachgruppe Soziologie in Tutzing am 22. November 2003 um 14 Uhr aufgrund der aus Krankheitsgründen bedingten Abwesenheit von Prof. Karen Shire. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde der TeilnehmerInnen präsentierte Pia Vogler ihre Magisterarbeit zum Thema „Die Vergessenen Pioniere. Der Arbeitseinsatz von Gefangenen in Hokkaido als Beispiel für institutionalisierte Zwangsarbeit“.

Präsentation der Diplomarbeit von Pia Vogler

Für ihre Arbeit hat Pia Vogler eine Reihe von Originalquellen, darunter übergreifende Anweisungen staatlicher Stellen sowie Berichte von Gefängnisdirektoren und Wärtern verwendet. Aufzeichnungen von Gefangenen selber konnten während der Recherche nicht aufgefunden werden. Schon in der Tokugawa-Zeit wurden nicht sesshafte Personen von den polizeilichen Behörden verhaftet. In Arbeitslagern sollten diese Leute durch Ausbildung zu Handwerkern zu nützlichen Mitgliedern der Gesellschaft umgewandelt werden. Politische Sträflinge wurden bereits zu dieser Zeit bevorzugt auf entlegene Inseln geschickt. Mit Beginn der Meiji Zeit, und besonders nach der Satsuma-Rebellion, nahm deren Zahl aber derartig zu, dass die Kapazität der zuvor verwendeten Inseln überstiegen wurde. Da die Erschließung Hokkaidos in den 1880er Jahren stärker betrieben wurde, bot der Einsatz von Zwangsarbeit eine günstige Methode zur Entwicklung des Landes. Häftlinge wurden vor allem im Straßenbau oder in Bergwerken eingesetzt. Vogler beschreibt, dass die Ausbildung der Häftlinge dabei gegenüber den Entwicklungszielen an Gewicht verlor und die Gefängnisse den Charakter von „totalen Institutionen“ im Sinne Goffmans erhielten. Da die Gefängnisse durch ihren behördlichen Charakter auch leicht zur Informationsverbreitung genutzt werden konnten, Möglichkeiten zu medizinischer Betreuung boten, und zudem durch Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen auch Arbeitskräfte in Form neuer Siedler anzogen, kommt ihnen der Charakter zentraler Institutionen zur Landeserschließung zu. In der anschließenden Diskussion wurden die von Vogler verwendeten Theorien von Foucault und Goffman eingehender diskutiert.

Diskussion zur Zukunft der Fachgruppe

Auf die Präsentation von aktuellen Forschungsprojekten wurde in der Fachgruppensitzung verzichtet, so dass man um 15 Uhr direkt zur Diskussion der Zukunft der Fachgruppe überging. Der informelle und offene Charakter der Fachgruppensitzung wurde sehr positiv hervorgehoben. Aufgrund der geringen TeilnehmerInnenzahl bot sich eine Diskussion zur Verbesserung der Situation der Fachgruppe an. Dabei wurden folgende Punkte festgehalten:

  • Die Erweiterung des Adressatenkreises der Fachgruppe durch die Umbenennung der Fachgruppe „Soziologie“ zu „Soziologie und Sozialanthropologie“ wurde von den Anwesenden unterstützt.
  • Die Beibehaltung der Präsentation von Diplom- und Doktorarbeiten wurde explizit, auch von den anwesenden Studierenden, als wünschenswert eingestuft. Die ProfessorInnen sollten ihre DiplomandInnen motivieren Arbeiten im Rahmen der VSJF vorzustellen.
  • Zur Rekrutierung von RednerInnen wurde eine aktive Akquirierung vorgeschlagen. Hierzu könnte man beispielsweise ForscherInnen mit schon länger laufenden Vorhaben ansprechen.
  • Durch die Wahl eines interessanten Titels für die Fachgruppensitzung – der mit dem Thema der Tagung in Verbindung stehen kann, aber nicht muss – könnten zukünftig weitere Interessenten zur Teilnahme an der Fachgruppensitzung bewegt werden.
  • Zur Bewältigung des organisatorischen Aufwandes der Fachgruppe und zur Gewährleistung der Fachgruppenleitung wurde die Nominierung von Ingrid Getreuer-Kargl als Co-Leiterin von den anwesenden TeilnehmerInnen bestätigt.