Gender Workshop 2006

Wissenschaft und Geschlecht

9. – 10. November 2006 in Hamburg

In diesem Jahr fand der mittlerweile 13. Gender-Workshop „Geschlechterforschung zu Japan“, der von Prof. Dr. Ilse Lenz (Universität Bochum) und Prof. Dr. Michiko Mae (Universität Düsseldorf) gemeinsam mit Phoebe Holdgrün (Universität Düsseldorf) und Julia Schmitz (Universität Düsseldorf) organisiert wurde, wie auch in den letzten Jahren wieder im Rahmen der VSJF-Jahrestagung statt. Zu dem Thema „Wissenschaft und Geschlecht“ präsentierten sechs Vortragende aus Kultur- und Sozialwissenschaften den aktuellen Stand der Genderforschung in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen.

Eine wichtige Grundlage für die Thematik des Workshops wurde von Michiko Mae (Universität Düsseldorf) in ihrem Vortrag „Die Gender-Kategorie und der Gender-free-Diskurs in Japan“ gelegt. Im Mittelpunkt des Beitrages standen eine Systematisierung der bisherigen Entwicklungen der Gender-Kategorie sowie deren gegenwärtige Verwendung und Verbreitung in Japan. Vor allem ist hierbei die Bedeutung von Gender in der politischen Praxis interessant, die sich in der Implementierung und Umsetzung des Partizipationsgesetzes von 1999 zeigt. Gleichzeitig rufen diese Maßnahmen aggressive Angriffe gegen das Gesetz und das damit implizierte gender-free-Konzept hervor. Dies verdeutlicht auch, wie ernst diese Gender-Politik von ihren Kritikern genommen wird.

Die Analyse der Zielsetzung des von neokonservativen Politikern durchgeführten Gender-Bashing legte deren eigentlichen Intentionen dar: die Wiederherstellung der traditionellen Familie sowie eine starke Nation. Der Zusammenhang, der dabei zwischen Gender und Nation hergestellt wird, ist unübersehbar. Das Bashing gegen Gender und gender-free ist nicht zu unterschätzen, zumal Japans neugewählter Ministerpräsident Abe Shinzô ein Vertreter der politischen Richtung ist, zu der sich auch die konservativ-nationalistischen Kritiker zählen. Umso mehr ist nach Einschätzung von Mae die Weiterentwicklung der Gender-Forschung und des gender-free-Konzepts vonnöten.

Ilse Lenz (Universität Bochum) stellte anschließend in ihrem Vortrag „Transnationale Genderforschung und differenzierter Universalismus?“ anhand einer Parallelsetzung biographischer Angaben zur eigenen wissenschaftlichen Entwicklung die Entwicklung der Genderforschung in Japan dar. Eine wichtige Rolle spielte dabei das Konzept des sozialen Raums (Bourdieu) bzw. die Positionierung des Selbst im sozialen Raum zweier Gesellschaften (Japan und Deutschland). Der regelmäßige und wechselseitige Austausch des Selbst im Raum vieler Gesellschaften führt, bezogen auf die Geschlechterforschung, letztendlich zu einer transnationalen Genderforschung, in der Gleichheit und Differenz anerkannt werden und sich auch die wissenschaftliche Perspektive z.B. in Netzwerken von Differenzdiskursen hin zu transformativen Diskursen verändert.

In ihrem Vortrag „Gender und Ungleichheit in der vergleichenden Soziologie“ diskutierte Karen Shire (Universität Duisburg-Essen) die Frage, ob soziologische Mainstream-Theorien von der Gender-Forschung beeinflusst worden sind, oder ob vielmehr die Gender-Forschung den Mainstream außer Acht gelassen hat. Dabei wurden die marxistische Klassentheorie sowie die Wirtschaftssoziologie nach Max Weber näher in Betracht gezogen und Schwierigkeiten beziehungsweise Unzulänglichkeiten bei der Einbeziehung von Fragen der Genderforschung aufgezeigt. So wurde beispielsweise lange Zeit die Klasse der Frauen von der Klasse der Männer abgeleitet, oder aber, bei der Identifizierung von Klassenzugehörigkeiten vor allem über die Erwerbstätigkeit, die nicht bezahlte Arbeit von Frauen nicht mit einbegriffen. Als Konsequenz aus den gewonnenen Erkenntnissen könnte eine vergleichende Geschlechtersoziologie, die im Hinblick auf Geschlechterbeziehungen neu gedacht ist, als Ziel anvisiert werden.

Der erste Tag des Workshops wurde durch die abendliche Vorführung des Dokumentarfilms „30nen no sisterhood“ über die japanische Frauenbewegung abgerundet.

Am zweiten Tag des Workshops hielt Ina Hein (Universität Düsseldorf) einen Vortrag zum Thema „Tendenzen der Genderforschung in der (auf Japan bezogenen) Literaturwissenschaft“. Dabei bezog sie sich insbesondere auf Forschung zur modernen Literatur ab dem 19. Jahrhundert. Zunächst stellte sie die feministische Literaturwissenschaft im Westen dar, die durch den Gender Turn eine Perspektivenverschiebung erfahren hat. Das Ziel der literarischen Genderforschung war nicht mehr unbedingt eine Kritik an den Frauenbildern, sondern an der Konstruktion der Kategorie „Geschlecht“ an sich. In einem zweiten Schritt zeigte Ina Hein die auf Japan bezogenen literaturwissenschaftliche Genderforschung auf und zog den Schluss, dass trotz der zunehmenden Etablierung der Literaturanalyse weiblicher Autoren noch zahlreiche Möglichkeiten bestehen, die literaturwissenschaftliche Genderforschung in Japan zu erweitern, da die Forschung sich oftmals nur auf das Frauenbild konzentriert.

Hilaria Gössmann (Universität Trier) gab in ihrem Vortrag „Gender und Medien in Japan: Die Auseinandersetzung mit dem Boom des koreanischen Fernsehdramas ‚Winter Sonate’ als Fallbeispiel interdisziplinärer Geschlechterforschung“ zunächst einen Überblick über die Verknüpfung von Medien, Medienwissenschaften und Genderforschung in Japan. Da sowohl die Medien als auch die Medienwissenschaften in Japan stark männlich dominiert sind, ist die Berücksichtigung von Gender dort bislang wenig eingedrungen. Am Beispiel des Fernsehdramas „Winter Sonate“, welches in Japan einen unvergleichlichen Boom gerade bei Frauen mittleren und höheren Alters auslöste, zeigte Gössmann anschließend Erkenntnisgewinne, die die Geschlechterforschung dazu anbieten kann, auf. So ist der männliche Hauptdarsteller, der als androgyner Gentleman eine neue Männlichkeit vertritt, die Schlüsselfigur für die Beliebtheit der Se