Fachgruppensitzung Geschichte 2015

Torsten Weber (Deutsches Institut für Japanstudien / Tokyo): Das Nanking-Massaker im japanisch-chinesischen „Geschichtskrieg“ 

Seit Anfang dieses Jahrzehntes haben rechtsgerichtete japanische Medien den Begriff „Geschichtskrieg“ im öffentlichen Diskurs in Japan etabliert. Damit wird einerseits versucht, Korea und vor allem China die Schuld an der Ausweitung historischer Konflikte in Ostasien zuzuschieben und andererseits wird ein forscheres Auftreten Japans gegenüber seinen ostasiatischen Nachbarn eingefordert. Im geschichtspolitischen Konflikt mit China steht das Nanking-Massaker (1937/38) im Mittelpunkt, das jüngst als Teil des neuen chinesischen National Memorials sowie durch die Registrierung als „UNESCO International Memory of World Register“ diskursiv aufgewertet wurde. Unterstützt durch rechte Medien und öffentliche Intellektuelle versucht die gegenwärtige japanische Regierung dagegen die Authentizität des „Nanking-Zwischenfalls“ anzuzweifeln.

Ziel des Vortrages ist es ein neues Forschungsprojekt zum Nanking-Massaker vorzustellen und dieses im Kontext jüngerer Entwicklungen in der geschichtspolitischen Auseinandersetzung zwischen Japan und China zu situieren.

 

Jonathan Krautter (Friedrich-Schiller-Universität Jena)Die japanische Industriepolitik in der chemischen Industrie, 1953-1975. Eine mikroökonomische Untersuchung aus der Perspektive deutscher Chemieunternehmen

Japan durchlebte zwischen 1953 und 1973 eine rasante industrielle Entwicklung, die es zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt machte. Während die sozialwissenschaftliche Forschung zunächst die zentrale Rolle der Industriepolitik des japanischen Ministeriums für Internationalen Handel und Industrie (MITI) hervorhob, bewerten Ökonomen diese seit den 1980er Jahren eher negativ. Zu den Maßnahmen der Industriepolitik gehören bspw. Devisenbewirtschaftung, Schutzzölle und Subventionen. Als japanspezifisches Mittel gilt die sogenannte administrative Lenkung (jap.: gyôsei shidô), wobei es sich um Weisungen der Behörden an Unternehmen handelt, die nicht gesetzlich verankert sind. Seit der globalen Finanzkrise von 2007/8, bewerten vor allem quantitativ orientierte Wirtschaftshistoriker MITIs Rolle neu. Dennoch bleibt auch die neuere Forschung methodisch älteren Ansätzen verhaftet: Maßnahmen wie die administrative Lenkung entziehen sich der Quantifizierung, sodass sich Ökonomen auf quantitativ messbare Politikmaßnahmen wie etwa Subventionen konzentrieren. Qualitative Analysen dagegen beschränken sich meist auf behördliches Handeln oder Industriestudien, sodass die Unternehmen überwiegend als „black boxes“ behandelt werden. Aus diesem Grund werden subtile Elemente, wie etwa das nudging, zugunsten offensichtlicher Aspekte wie der Industriegesetzgebung, außer Acht gelassen. Folglich gibt es kaum Studien, die eine genaue Beschreibung der Interaktion zwischen Staat und Unternehmen leisten. Dies hat zur Folge, dass ökonomische Modelle anhand von Annahmen konstruiert werden, deren empirische Basis unzureichend ist.

Der Vortrag untersucht die Interaktion deutscher Unternehmen mit MITI auf der Basis bisher nicht genutzter Quellen. Die chemische Industrie wurde ausgewählt, da sie ein Hauptziel industriepolitischer Maßnahmen war und in Japan ansässige deutsche Unternehmen über umfangreiche Unternehmensarchive verfügen. Zuerst werden die Bemühungen der deutschen Unternehmen und ihrer japanischen Partner zum Erhalt einer Lizenz für Direktinvestitionen beim MITI untersucht. Danach wird auf Grundlage der Ergebnisse des ersten Teils und von Unternehmensdaten ein ökonometrischer Test der Auswirkungen der Industriepolitik auf die Industrieentwicklung durchgeführt.