Fachgruppensitzung Kultur und Medien 2017
In der Sitzung der Fachgruppe „Kultur und Medien“ gab es bei der VSJF-Jahrestagung 2017 in Wien drei Vorträge von Nachwuchswissenschaftler/innen, die sich verschiedenen Themen aus dem Bereich Medien widmeten.
Timo Thelen (Universität Düsseldorf) beschäftigte sich in seinem Vortrag unter dem Titel „Als Totoro den Wald verließ – Realität und Imagination von Umweltbewegungen“ mit der sogenannten Totoro no Furusato Foundation. Diese NPO wurde 1990 in Saitama mit dem Ziel gegründet, lokale Waldgebiete zu schützen, die als Vorbild für die Landschaften in dem Anime Tonari no Totoro von Miyazaki Hayao gedient haben. Miyazaki selbst leistete eine hohe Spende für die Organisation, die bis heute ein Wald- und Seenareal von etwa 53 km² erworben hat und kultiviert. Neben dieser Hauptaufgabe veranstaltet die Totoro no Furusato Foundation auch zahlreiche Workshops, Führungen etc. für Umweltaufklärung.
Wie Thelen erläuterte, erhielt der sogenannte „Totoro-Wald“ in den letzten Jahren große Beachtung in der Öffentlichkeit. Dies liegt einerseits daran, dass die NPO oft als Beispiel für satoyama-Projekte in Japan genannt wird. Satoyama (wörtlich „Dorf und Wald“) stehe, so Thelen, in diesem Kontext auch pars pro toto für ein urjapanisches Lebensmodell in Harmonie mit der Natur, welches die japanische Regierung international propagiert, um das designierte Image einer führenden Umweltnation zu fördern. Darüber hinaus wurde der „Totoro-Wald“ im Kontext von ‚Cool Japan‘ und ‚Contents Tourism‘ (Medientourismus) zu einem der beliebtesten Reiseziele der Präfektur Saitama für inländische wie ausländische Touristen.
Thelen stellte die Arbeit und Ausrichtung der Organisation als Ausgangspunkt für ein geplantes Forschungsprojekt vor. Er will der Frage nachgehen, wie die Mitglieder und Helfer der Totoro no Furusato Foundation ihre Aktivitäten zwischen Medieninhalt, Umweltschutz, politischer Ideologie und Fantourismus kontextualisieren. Dabei bezieht er sich auf theoretische Ansätze wie Augés „places/non-places“, Baudrillards „hyper reality“ und Urrys „mediatised gaze“, um neue Ansätze für die Wechselwirkung und ‚Übergänge‘ zwischen Medium und Realität im gegenwärtigen Japan zu finden.
Um Videospiele ging es in dem Vortrag von Christina Gmeinbauer (Universität Wien): „Begegnung in 3D: Über Konstruktion und Bedeutung des Verhältnisses zwischen ‚Eigenem‘ und ‚Fremdem‘ in japanischen Computerspielen“. Gmeinbauer stellte in ihrem Vortrag fest, dass Computerspiele heutzutage weltweit von einem sehr breiten Publikum aktiv gespielt werden und es damit sehr wichtig sei, sich mit den darin transportierten Aussagen zu beschäftigen. Konkret ging es ihr um die Darstellung des Verhältnisses zwischen ‚Fremdem‘ und ‚Eigenem‘, welches auch häufig in anderen japanischen Medien wie etwa Literatur, Film, Manga oder dorama diskutiert wird. Anhand von drei Spielen zeigte sie auf, wie eine Beziehung zwischen ‚Fremdem‘ und ‚Eigenem‘ konstruiert wird und wie sich diese während des Spielverlaufs weiterentwickelt. Einen besonderen Effekt erzielen dabei laut Gmeinbauer die den Computerspielen zugrunde liegenden Elemente der Belohnungssysteme und der Interaktivität, durch die die Spieler/innen diesen Vorgang nicht nur beobachten, sondern tatsächlich erfahren und sogar selbständig mit beeinflussen können.
Gmeinbauer stellte fest, dass in allen drei Spielen Vorschläge geboten werden, wie mit den Unterschieden zwischen ‚Fremdem‘ und ‚Eigenem‘ umgegangen werden kann: In zwei der drei Spiele wird das zunächst als feindlich beschriebene Verhältnis sukzessive demontiert, während das dritte Spiel die Spannungen zwischen ‚Fremdem‘ und ‚Eigenem‘ in einem friedlichen Kontext erörtert und Lösungen vorstellt, wie man sich selbst in der ‚Fremde‘ zurechtfinden kann. Gmeinbauer sieht dies als Beispiele dafür, dass Computerspiele nicht, wie oft im massenmedialen Diskurs vermutet, lediglich zu Gewalt anleiten, sondern auch friedliche Wege aufzeigen können und darüber hinaus dazu anregen, sich mit gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen.
Eine Explorative Datenanalyse japanischer Filmdatenbanken stellten Florian Purkarthofer (Universität Wien) und Peter Mühleder (Universitätsbibliothek Leipzig) vor. Ausgehend von der Aufarbeitung der Filmsammlung der Wiener Japanologie erproben die beiden die Möglichkeiten einer datenbasierten (makro-perspektivischen) Analyse japanischer Kinofilme bzw. deren Metadaten.
Purkarthofer und Mühleder führten dafür zunächst eine explorative Datenanalyse der drei umfassendsten japanischen Online-Filmdatenbanken (–> Link zur Homepage), und (–> Link zur Homepage)) durch. Die Verlinkung, Analyse und Visualisierung der in diesen Datenbanken enthaltenen (Meta-)Daten erlauben neue Betrachtungsmöglichkeiten der 120-jährigen Geschichte des japanischen Films. Veränderungen, die aufgrund qualitativer Forschung beschrieben wurden, können mittels Datenauswertung belegt werden, andererseits ergeben sich Fragen, welche mit konventionellen Methoden nicht gestellt noch beantwortet werden können.
Im Anschluss an die Vorstellung des Projektes besprachen Purkarthofer und Mühleder mit den Anwesenden die Zukunftsperspektiven des Projektes und diskutierten die Möglichkeiten zur kollaborativen Arbeit an und mit diesen Forschungsdaten.