Fachgruppensitzung Politik 2006
Mit gut zwanzig Teilnehmern erfreute sich das Treffen eines regen Zuspruchs. Drei Themen standen auf der Tagesordnung.
Zunächst stellte Frau Prof. Gesine Foljanty-Jost (Universität Halle-Wittenberg) ein kürzlich begonnenes, von der DFG gefördertes Forschungsprojekt zum Thema „Lokale Zivilgesellschaft in Japan“ vor. Ziel des auf drei Jahre angelegten Projektes ist es, neue Koordinierungsmechanismen auf der Ebene der Kommunalpolitik zu identifizieren. Diese Mechanismen ergeben sich aus einem mehrdimensionalen Wandlungsprozess. Zum einen sind mit den Reformen zur Dezentralisierung im Jahr 2000 neue institutionelle Rahmenbedingungen für die Kommunalpolitik entstanden, zum anderen äußert sich in der wachsenden Zahl von lokalen Referenden und neuartigen nichtstaatlichen Organisationen auf lokaler Ebene ein politischer Wandel, und schließlich zeichnet sich auch ein Wandel in der politischen Kultur ab, der vor allem an der steigenden Zahl von ehrenamtlich engagierten Bürgern abzulesen ist. Das Projekt geht von der Vermutung aus, dass dieser mehrdimensionale Wandel auch den politischen Prozess auf lokaler Ebene verändern wird, und zwar hin zu einem eher partnerschaftlichen Umgang zwischen Kommunalverwaltungen, Kommunalpolitikern und Bürgerinitiativen. Diese Hypothese wird in mehreren Teilprojekten untersucht, die zum einen das Potential an „Sozialkapital“ (Putnam) mit Hilfe von Fragebögen für nichtstaatliche Organisationen zu erfassen suchen, zum anderen mit Hilfe von Expertengesprächen im Rahmen von maximal kontrastierenden Fallstudien Veränderungen im politischen Prozess in verschiedenen Politikbereichen und Kommunen rekonstruieren und schließlich mit Hilfe eines „rational choice“-Modells neue Konstellationen in den lokalen Parlamenten eruieren.
Anschließend präsentierte Susanne Brucksch erste Ergebnisse ihrer Doktorarbeit, die im Rahmen des Projektes in Halle entsteht. Im Mittelpunkt stehen die Erfolgsbedingungen für eine Kooperation zwischen Unternehmen und nichtstaatlichen Organisationen im Umweltbereich. Die Analyse beruht zum einen auf einer landesweiten Umfrage bei mehr als zweihundert Großunternehmen und mehr als einhundert Umweltverbänden, zum anderen auf sieben Fallstudien. Als allgemeine Schlussfolgerung deutet sich an, dass Kooperationen dann zustande kommen, wenn alle Beteiligten situationsspezifische Ressourcen anbieten können und es ihnen Vorteile verschafft, diese Ressourcen in eine Art Tauschhandel einzubringen.
Im letzten Teil des Programms stand das Phänomen der „neuen Ungleichheit“ im Mittelpunkt, das zurzeit in Japan breit diskutiert wird. Wie schon David Chiavacci in seinem Vortrag im Hauptprogramm der Tagung betont hatte, wurde auch in der Diskussion in der Fachgruppe mehrfach darauf hingewiesen, dass soziale Ungleichheit an sich im Japan der Nachkriegszeit kein neues Phänomen sei. Neu sei allerdings, dass seit der Rezession der 1990er Jahre auch die Mittelschicht stärker von Verarmung betroffen sei und dass maßgebliche Politiker wie etwa Premierminister Koizumi den sozialen Konsens der Wirtschaftswunderzeit ausdrücklich aufkündigten und eine stärkere Stratifizierung zugunsten von „Leistungsträgern“ befürworteten.
Dr. Anja Osiander (Universität Leipzig)