Fachgruppensitzung Politik 2007
Das Treffen der Fachgruppe Politik war mit ca. 25 Teilnehmern sehr gut besucht. Auf dem Programm standen vor allem drei Vorträge, die in engem Bezug zum Thema der Jahrestagung „Security and Insecurity in Japan“ standen. Analog zur Haupttagung wurde die Fachgruppensitzung in englischer Sprache abgehalten.
Zu Beginn der Fachgruppensitzung stand die Frage der Sprecherschaft auf der Tagesordnung. Die bisherige Sprecherin, Anja Osiander hat sich seit ihrem Wechsel als wissenschaftliche Mitarbeiterin an das Institut für Japanologie der Universität Leipzig in ihrer eigenen Forschungstätigkeit verstärkt kulturwissenschaftlichen Fragestellungen zugewandt und daher im August 2007 die Sprecherschaft der Fachgruppe abgegeben. Die Mitglieder der Fachgruppe dankten Frau Osiander, die leider nicht persönlich an der Sitzung teilnehmen konnte, für ihre Arbeit und wählten ein neues, aus drei Mitgliedern bestehendes Sprecherteam: Verena Blechinger-Talcott (FU Berlin), Kerstin Lukner (Universität Duisburg-Essen) und Gabriele Vogt (Deutsches Institut für Japanstudien, Tokyo) werden die Fachgruppe ab sofort gemeinsam leiten.
Das inhaltliche Programm der Fachgruppensitzung bestand aus drei Vorträgen.
Zunächst stellte André Hertrich (Zentrum für Konfliktforschung, Philipps-Universität Marburg) sein Dissertationsprojekt zum Thema „Democratizing” Japan’s Post-War Armed Forces” dar. Hertrich ging dabei der Frage nach, auf welche Weise Deutschland und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg demokratische Werte im jeweiligen Militär verankert haben und wie die Rolle der Armee auch im Kontext ihrer Geschichte heute vermittelt wird. In seinem Vortrag untersuchte Hertrich, wie in der Bundeswehr und den japanischen Selbstverteidigungsstreitkräften militärische Tugenden („virtues“) und grundlegende Werte („values“) vermittelt werden. Untersuchungsgrundlage waren Dokumente zur Ausbildung von Rekruten, Statuten der jeweiligen Armeen sowie die Texte, die deutsche und japanische Soldaten bei ihrer Vereidigung sprechen. Hertrich machte deutlich, dass die Bundeswehr durch ihr Konzept der „inneren Führung“ großen Wert auf die Vermittlung demokratischer Grundwerte legt und es sich zum Ziel gesetzt hat, Soldaten als „Bürger in Uniform“ auszubilden. Demokratische Werte („values“) sind auch Gegenstand des Eidestextes, den deutsche Rekruten sprechen. Demgegenüber stehen bei den japanischen Selbstverteidigungsstreitkräften die Mission der Armee zur Landesverteidigung und die Rolle des Einzelnen in der Armee („virtues“) stärker im Vordergrund, explizite Bezüge zur demokratischen Verfassung des Staates werden nicht gesetzt.
In ihrem Vortrag „Japan’s ICC-Membership: Making sense of its belated accession“ untersuchte Dr. Kerstin Lukner (Universität Duisburg-Essen) die Hintergründe und Motive, die zum Beitrag Japans zum Internationalen Strafgerichtshof (International Criminal Court, ICC) geführt haben. Im Zentrum ihres Vortrags stand die Frage, warum Japan sehr viel später als alle anderen Demokratien westlicher Prägung, nämlich erst im Oktober 2007, dem ICC beigetreten ist. Die EU-Staaten und der Großteil der übrigen westlichen Demokratien – bis auf die USA – hatten das Grundlagendokument, das 1998 verabschiedete Rom-Statut, bereits bis zum Jahr 2002 ratifiziert. Lukner stellte in ihrem Vortrag die wichtigsten Thesen zur Erklärung des späten Beitritts Japans vor und diskutierte sie ausführlich: 1. negative Erfahrungen mit den Tokyoter Kriegsverbrecherprozessen, 2. Druck der USA, die dem Gericht ablehnend gegenüberstehen und 3. fehlende Rechtsgrundlagen für einen schnellen Beitritt. In ihrem Fazit führte Lukner aus, dass nicht so sehr der Glaube in internationale Strafgerichte ausschlaggebend für den Beitritt Japans zum ICC war, sondern in erster Linie das Bestreben Japans nach einer stärkeren sicherheitspolitischen Rolle und nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat als Ursache für diese Entscheidung zu sehen ist.
Der letzte Vortrag von Jemima Repo, Doktorandin im Fach Politikwissenschaft der Universität Helsinki thematisierte „Reproduction as Security: A Feminist Approach to the Declining Birth Rate in Japanese Politics.“ Repo zeigte in ihrem Vortrag, dass die sinkende Geburtenrate in der japanischen Politik im Kontext von Sicherheit und Bedrohungsszenarien diskutiert wird. Basierend auf einer Analyse der Antrittsreden japanischer Premierminister zeigte sie auf, dass die neu ins Amt gewählten Premierminister zunehmend die Mutterschaft als Kernaufgabe japanischer Frauen und als Aspekt nationaler Sicherheit präsentierten. Die sinkende Geburtenrate wurde im Kontext der Herausforderungen und nationalen Bedrohungen thematisiert, denen Japan sich stellen muss. In den Antrittsreden der Premierminister wurden Frauen auf den Aspekt der Mutterschaft reduziert, und auch eingeleitete staatliche Programme zur Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen wurden häufig als Maßnahmen zur Integration von Müttern (und nicht von Frauen) ins Berufsleben deklariert.
Prof. Dr. Verena Blechinger-Talcott