Fachgruppensitzung Soziologie und Sozialanthropologie 2009

In Anschluss an die Begrüßung durch die Sprecher der Fachgruppe und einer kurzen Vorstellungsrunde wurden drei Forschungsprojekte präsentiert und diskutiert. Im ersten Beitrag „Vom Sararîman zum unternehmerischen Selbst: Ein erwerbssoziologische Verortung von Ein-Personen-Unternehmer/innen in Japan“ berichtete Shizuka Jäger-Dresen (Universität Duisburg-Essen) über ihr Promotionsprojekt. Hierbei stehen neue Formen der Selbstständigkeit in Japan im Zentrum der Arbeit. Während in den OECD-Ländern eine starke Zunahme des Anteils von Selbstständigen in den letzten Jahren festzustellen ist, bilden Japan und Frankreich hierbei Ausnahmen. Jedoch ist auch in Japan parallel zur Zunahme von atypischer Beschäftigung ein signifikanter Wandel innerhalb der Gruppe der Selbstständigen aufgetreten. So können eine Zunahme von selbstständigen Männern im Vergleich zu Frauen und eine Zunahme der Selbstständigkeit im wissensintensiven Dienstleistungsbereich identifiziert werden. Dies wirft die Frage auf, ob es sich hierbei um einen neuen Typ von hochqualifizierten Selbstständigen oder nur eine Form der Prekarisierung, welche eben auch nicht vor solch hochqualifizierten Arbeitskräften Halt macht, handelt. Jäger-Dresen stellte als Ergebnis einer ersten Umfragerunde vier Typen vor, welche innerhalb der neuen Selbstständigkeit unterschieden werden können. In der Diskussion zum Vortrag wurden unter anderem auf einige grundlegende Probleme in den offiziellen Arbeitsmarktstatistiken in Japan hingewiesen und die ursprüngliche Definition einiger im Vortrag verwendeter Konzepte erörtert.

Nadine Vogel (Freie Universität Berlin) stellte im zweiten Beitrag ihr Promotionsprojekt mit dem Arbeitstitel „Wandel des Wohlfahrtsstaats durch Einbindung der Zivilgesellschaft? Chancen und Grenzen einer Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure in sozialpolitische Aufgabenbereiche im japanischen Wohlfahrtsstaat“ vor. Das Projekt beschäftigt sich mit der Zunahme von Non-Profit-Organisationen (NPO) im Zuge der neuen Gesetzgebung in den späten 1990er Jahren und deren Einbindung in die staatliche Sozialpolitik in Japan. Vogel präsentierte ihre aus der Literatur abgeleiteten Ausgangsthesen und ihren Zeitplan für die Umsetzung des Forschungsprojekts während eines bevorstehenden Japanaufenthaltes. In der anschließenden Diskussion wurde auf den unterschiedlichen Charakter von zivilgesellschaftlichen Akteuren in Japan hingewiesen und deswegen die Frage aufgeworfen, ob es sinnvoll ist, sich auf inkorporierte NPO zu konzentrieren. Auch kam der Hinweis, dass es angesichts der qualitativen Ausrichtung der empirischen Erhebung sinnvoll sein könnte, bereits in einem früheren Stadium des Japanaufenthalts mit den geplanten Interviews zu beginnen.

Im letzten Beitrag berichtete Martin Lieser von der Universität Bonn über sein Projekt für eine Magisterarbeit: „Among the sapôtâ: Fußballfankultur in Japan“. Lieser war als teilnehmender Beobachter während eines längeren Aufenthalts Mitglied bei einer Anhängergruppe der Kashiwa Reysol, eines Clubs der höchsten Division der J-League aus der Stadt Kashiwa (Präfektur Chiba). In seiner Arbeit greift Lieser verschiedene theoretische Konzepte aus der sozialwissenschaftlichen Sportforschung wie z.B. zu Idealtypen von Anhängern und zur gegenseitigen, transnationalen Beeinflussung der Fußballfankultur auf. Hierbei möchte er die Anwendbarkeit dieser Konzepte auf die Anhänger von Kashiwa Reysol in Japan als Fallbeispiel überprüfen. Neben anderen Punkten wurden in der Diskussion Fragen nach der Gewaltbereitschaft der Fans und dem Vorhandensein gewisser Tabus in der japanischen Fußballfankultur gestellt. Auch wurden der Integrationsgrad von Lieser und seine Stellung in der Gruppe bei seiner teilnehmenden Beobachtung thematisiert.

PD Dr. Christoph Brumann (Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, Halle)
Dr. David Chiavacci (Freie Universität Berlin)