Fachgruppensitzung Wirtschaft 2015

Der dreistündige Austausch gliederte sich in eine Vorstellungsrunde, zwei Präsentationen zu aktuellen Forschungsarbeiten und einer von Frank Roevekamp zusammengefassten Szenarienanalyse für Japans Wirtschaft.

1) Vorstellungsrunde der Teilnehmer

Dr. Georg Blind, Research Fellow and Lecturer, Institute of Asian and Oriental Studies, University of Zurich

Aktuelle Forschungsvorhaben
Buyout investments in Japan durch inländische und ausländische Investoren
Innovationsökonomische Auswirkungen japanisch-europäischer Forschungskooperation.

Sophia A. Latsos, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin, wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig, Institut für Wirtschaftspolitik

Aktuelle Forschungsvorhaben
Reallohneffekte japanischer Geldpolitik
Erhöht unkonventionelle Geldpolitik Einkommensungleichheit? – Lehren aus Japan

Prof. Dr. Werner Pascha, Professor für Ostasienwirtschaft/Japan und Korea, Fakultät für Betriebswirtschaftslehre und Direktor am Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Duisburg-Essen

Aktuelle Forschungsvorhaben
Japan-Berichte im Rahmen des Projekts Sustainbale Governance Indicators der Bertelsmann-Stiftung, (–> Link zur Homepage)
Japans wirtschaftspolitische Strategien vor dem Hintergrund der political economy of reform und der Rolle von „political entrepreneurship“, Aufsatz im Druck Zusammenhang von Dezentralisierung in Japan und kompetitivem Föderalismus; Arbeit zu Dezentralisierung, Korruption und Accountability Institutionelle Probleme von Mechanismen der Finanzkooperation, insbesondere Chiang-Mai-Initiative und europäische Initativen wie ESM

Laufende Großprojekte am Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Duisburg-Essen (–> Link zur Homepage)
– DFG-Graduiertenkolleg „Risk and East Asia“,seit 2009
– IN-EAST School of Advanced Studies zu „Innovation in East Asia“, BMBF-Projekt im Rahmen der Förderinitiave für Area Studies

Prof. Dr. Frank Roevekamp, Direktor des Ostasieninstituts an der Hochschule Ludwigshafen

Aktuelle Forschungsvorhaben
Wirtschafts- und insbesondere Währungspolitik in Asien, neben Japan vor allem China
politisches Krisenmanagement im Fall des Atomunfalls in Fukushima

Prof. Dr. Rolf Dieter Schlunze, Ritsumeikan University (OIC), College of Business Administration; Co-Head of SIEM Research Group (–> Link zur Homepage), zur Zeit Gastprofessor am Geographischen Institut der Humboldt Universität

Aktuelle Forschungsvorhaben
Interkulturelle Kompetenz: Expat manager vs. Hybrid Manager (–> Link zur Homepage)
Qualitative Netzwerkanalyse – Fallstudien über internationale Manager und Unternehmer (–> Link zur Homepage)
Hybridisierung und Anpassung von Produktionssystemen an Überseestandorten (–> Link zur Homepage)
Ausländische Direktinvestitionen und Wirtschaftsförderung in Japan (–> Link zur Homepage)

Prof. Dr. Franz Waldenberger, Direktor des Deutschen Institut für Japanstudien, Tokyo

Aktuelle Forschungsvorhaben
The future of local communities in Japan – Risks and opportunities in face of multiple challenges (–> Link zur Homepage)
Start-ups in Asia – the role of agglomerations and international linkages (–> Link zur Homepage)
Effective multinational teamwork in Japan (–> Link zur Homepage)
Weitere Forschungsinteressen: Human resource management in Japan, Corporate governance, Japan’s macroeconomic performance

2) Präsentationen zu aktuellen Forschungsvorhaben

a) Georg Blind
Nicht selten finden sich in wirtschaftswissenschaftlichen Fachzeitschriften vergleichende Arbeiten zu Japan, die sehr oberflächlich und im Ergebnis irreführend japanische Quellen verwenden und damit interessante Besonderheiten des „japanischen Managements“ oder „japanischer Unternehmen“ zu belegen versuchen. Für japankundige Wirtschaftswissenschaftler eröffnet dies durchaus interessante Publikationsmöglichkeiten, allerdings nur, wenn die Herausgeber der Zeitschrift gegenüber kritischen Repliken auch offen sind. Georg Blind präsentierte eine kritische Auseinandersetzung mit einem in einer renommierten Fachzeitschrift erschienen Aufsatz. Hier die Zusammenfassung:

Not a Coincidence: Sons-in-Law as Successors in Successful Japanese Family Firms
Georg Blind and Stefania Lottanti von Mandach

Vikas Mehrotra, Randall Morck, Jungwook Shim and Yupana Wiwattanakantang (2013; hereafter MMSW) observe that listed family firms on average outperform non-family firms in Japan between 1962-2000. They suggest that this finding can be explained by the practice of adult adoptions and, to a lesser degree, by arranged marriages. Their argument centers on a positive performance differential between non-blood and blood heirs. We cannot exactly replicate MMSW’s research, because the authors do not share their data. However, we identify methodological concerns with the evidencing of this differential and show how conceptual considerations reduce their argument to that of arranged marriages. Regardless of any differential we propose another interpretation for the superior performance of businesses run by non-blood heirs and identify indicative evidence for this.

Leider zeigten die Herausgeber der Zeitschrift in diesem Fall wenig Interesse an einer Veröffentlichung der Replik. Eine mögliche Alternative bietet sich – je nach Fachgebiet – über eine auf Repliken spezialisierte Zeitschrift.

b) Sophia A. Latsos
Reallohneffekte und Umverteilungseffekte expansiver Geldpolitik in Japan

Derzeit werden hohe Erwartungen an „Abenomics“ geknüpft, die japanische Realwirtschaft mit Wachstumsimpulsen zu stimulieren und so Japan aus der wirtschaftlichen Stagnation zu bewegen. Analysen, die den Erfolg dieser wirtschaftspolitischen Maßnahmen untersuchen, stellen vor allem die Entwicklung von Inflation und Inflationserwartungen in den Mittelpunkt. Jedoch können diese nur nachhaltig steigen, wenn auch Nominal- und Reallöhne der Haushalte sich erhöhen. Seit Ende der 1990er Jahre stagnierten Lohnentwicklungen, oder folgten einem negativen Trend, der bis zuletzt anhält. Hierfür werden strukturelle Probleme des dualen japanischen Arbeitsmarktes oder auch der demographische Wandel verantwortlich gemacht. Dennoch besteht die Frage, wie sich Reallöhne unter dem fortwährenden Druck aggressiver, expansiver Geldpolitik entwickelt haben. Kann ultralockere Geldpolitik Reallohneffekte nach sich ziehen und welche Implikationen würden sich hieraus ergeben?

Tatsächlich besagt die theoretische Literatur, dass Geldpolitik reale Effekte haben kann, so auch Reallohneffekte. Allerdings mangelt es vor allem an empirischen Studien, welche entsprechende Transmissionskanäle untersuchen. Da mögliche Reallohneffekte das Konsumverhalten der Haushalte, also aggregierte Nachfrage und Wirtschaftswachstum, nachhaltig beeinflussen können, müssen sie im Zusammenhang mit Umverteilungseffekten ultralockerer Geldpolitik verstanden und empirisch untersucht werden. Dennoch sieht die empirische Literatur expansive Geldpolitik bisher selten als Ursache solcher Effekte und somit gilt es, diese bestehende Lücke zu füllen.

Mein Forschungspapier „Real Wage Effects of Monetary Policy in Japan“ bietet einen ersten Versuch, die Wirkung dauerhaft expansiver Geldpolitik auf Reallohnentwicklungen in Japan zu erfassen. Dieser Wirkungsmechanismus kann mittels des Vermögenspreiskanals (asset price channel) dargestellt werden. Lockere Geldpolitik kann zunächst Vermögenspreisblasen fördern. Nach dem Platzen solcher Blasen kommt es zu einer Finanzkrise, sodass Firmen gezwungen sind, Kosten zu reduzieren, indem sie Nominallöhne kürzen. Dies beeinflusst Reallöhne negativ. Bei anhaltend positiven Geldschocks fallen Reallöhne (und Arbeitslosigkeit) weiter und können nur auf Grund eines positiven Produktivitätsschocks wieder steigen. Dieser Transmissionsmechanismus bestätigt sich für Japan bis heute. Seit der japanischen Finanzmarktkrise ist eine negative Nominal- und Reallohnentwicklung zu beobachten. Firmen kürzen Kosten, indem sie sogenannte nicht-reguläre Arbeitnehmer, die nur etwa zwei Drittel der Löhne regulärer Angestellter beziehen, bevorzugt einstellen. Die repetitive quantitative und qualitative Lockerung der Bank of Japan (BoJ) wirkt ununterbrochen auf diesen Transmissionskanal.

Bei der Betrachtung der Reallohneffekte lockerer Geldpolitik wird deutlich, dass diese im Kontext von Umverteilungseffekten analysiert werden müssen. Da nur eine relativ kleine Gruppe der Haushalte, darunter vornehmlich solche mit Spitzeneinkommen, finanzielles Vermögen besitzt, betrifft der positive Vermögenspreiseffekt vorwiegend sie, wohingegen der negative Reallohneffekt einen Großteil der Haushalte betrifft. Einkommensumverteilungseffekte können also auf Grund der Wirkung von Geldpolitik sowohl auf Reallöhne also auch Vermögenspreise entstehen. Dies ist ein Aspekt, der ebenfalls in der Literatur fehlt und der in einem weiteren Forschungspapier, „Does Unconventional Monetary Policy Increase Income Inequality? Lessons from Japan“ aufgegriffen und untersucht werden soll.

Mit Hinblick auf meine zukünftige Forschung gilt es, den Transmissionskanal zwischen expansiver Geldpolitik und Reallöhnen theoretisch klar herauszuarbeiten und von möglichen weiteren Einflussfaktoren auf Reallöhne, wie dem demographischen Wandel oder den dualen Arbeitsmarktstrukturen Japans, zu isolieren. Zudem birgt mein zweites Forschungsprojekt vor allem empirische Herausforderungen bezüglich der Trennbarkeit von Einkommens- und Vermögenseffekten expansiver Geldpolitik.

3) Szenarienanalyse zu Japans Wirtschaft
Werden die unter „Abenomics“ zusammengefassten geld-, fiskal- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen der japanischen Regierung ihre Ziele erreichen oder scheitern? Frank Roevekamp präsentierte eine 2013 erstellte Szenarienanalyse zur Lage der japanischen Wirtschaft im Jahr 2018. In den als „Goldmarie“ und „Pechmarie“ bezeichneten Szenarien werden „best case“ bzw. „worst case“ Konstellationen beschrieben. Sie ergeben sich aus unterschiedlichen Annahmen über die Entwicklung wesentlicher Erfolgsfaktoren. Nachzulesen sind die Szenarien auf der Website des OAI der Hochschule Ludwigshafen: (–> Link zur Homepage)

Marie Andrejkovits (VSJF-Redaktion)