Fachgruppensitzung Stadt- und Regionalforschung 2009
Im Rahmen der Tagung begrüßte Thomas Feldhoff (UHI, Inverness) am Samstag, 21.11.2009, die Referenten und Teilnehmer der Fachgruppensitzung Stadt- und Regionalforschung. Die Fachgruppe ist im Bereich der Humangeographie angesiedelt (Wirtschafts-, Sozial-, Stadt-, Regionale Geographie), interdisziplinär jedoch offen. Willkommen sind daher immer auch ExpertInnen aus den Nachbarwissenschaften, unter anderem Stadt- und Regionalplanung, Ökonomie, Politologie und Soziologie, Umweltwissenschaften, Verkehr und Logistik, Architektur, Bauwesen, Jura.
Die Auswirkungen einer zunehmend neoliberal geprägten Stadtpolitik auf die sozialräumliche Struktur japanischer Großstädte waren das Thema des Vortrags „Vom Mittelschichtsymbol zu Armutsinseln? Zur veränderten sozialen Situation öffentlicher Wohnsiedlungen in Japan“ von Ralph Lützeler (Deutsches Institut für Japanstudien DIJ, Tokyo). Lützeler wies nach, dass sich der von David Harvey (1989) postulierte Übergang von einer verwaltenden zu einer unternehmerischen, das wirtschaftliche Wachstum einer Metropole in den Vordergrund rückenden Stadtpolitik auch in Japan spätestens seit der Koizumi-Ära vollzogen und unter anderem zu einer Verstärkung kleinräumiger Segregationstendenzen geführt hat. Auch die ehedem als Symbole der urbanen japanischen Mittelschichtgesellschaft geltenden öffentlichen Mehrfamilienhaus-Wohnsiedlungen (danchi) der 1950er bis 1980er Jahre haben sich unter anderem im Gefolge einer restriktiver gehandhabten Wohnungspolitik zunehmend zu Sammelbecken marginaler Bevölkerungsgruppen wie allein lebende alte Menschen oder Erwerbslose entwickelt, wodurch sie sich nun auch in sozialstruktureller Hinsicht klar von umliegenden Stadtvierteln unterscheiden. Nach einer Darstellung der aktuellen Lage in Siedlungen des kommunalen Wohnungsbaus in Tokyo (toei jūtaku) widmete sich Lützeler im zweiten Teil seiner Darlegungen Maßnahmen, die bisher seitens der Präfekturverwaltung von Tokyo zur Entschärfung der Situation bereits durchgeführt worden oder beabsichtigt sind. Hierbei zeigte sich, dass – anders als bei ähnlichen Projekten in Europa – weniger die gesellschaftliche Reintegration der betroffenen Bewohner im Vordergrund der Bemühungen steht, sondern die Strategien einseitig auf eine Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes orientiert sind, auch um die globale Attraktivität von Tokyo zu erhöhen. Damit ergänzen sie nationale Stadtentwicklungskonzepte, statt sie zu korrigieren.
In einem weiteren Beitrag berichtete Carolin Funck (Hiroshima University Graduate School of Integrated Arts and Sciences) über die „Restrukturierung von Massentourismus-Destinationen in Japan: Hida Takayama”. Massentourismus umfasst nicht nur Gruppenreisen und Reisen von Reiseveranstaltern, also „organisierte” Massentouristen, sondern auch „individuelle” Massentouristen, viele einzelne Touristen, die den gleichen Verhaltensmustern folgen. In den meisten Touristenorten mischen sich beide Gruppen. Nach dem Tourism Area Life Cycle, einem grundlegenden Konzept der Tourismusgeographie, das erstmals von Butler (1980) vorgestellt wurde, entwickeln sich Tourismusdestinationen genauso wie Produkte über mehrere Stufen; dabei besteht auch die Möglichkeit des Niedergangs oder des Rückzugs aus dem Tourismussektor. Dieser Gefahr begegnen Destinationen mit Strategien zur Restrukturierung, z.B. Erhalt oder Rekonstruktion von Landschaft und natürlichen Ressourcen, Erschließung spezieller Gästegruppen, PR-Kampagnen zur Änderung des Image, Kooperation mit anderen Destinationen zur Schaffung einer Tourismusregion, Verbesserung und Verbreiterung des Angebots an touristischen Ressourcen, Einrichtungen und Dienstleistungen oder Einrichtung eines Systems zur Qualitätsbewertung touristischer Ressourcen. Dieser Beitrag untersuchte am Beispiel der Stadt Hida Takayama (Gifu-Präfektur) in Japan, welche Faktoren die Entwicklung einer neuen Massentourismus-Destination in Gang setzen und welche Strategien erfolgreich zur Stabilisierung eingesetzt wurden. Im Fall von Hida Takayama stellte der konsequente Erhalt des historischen Stadtbilds die Basis für die Tourismusentwicklung dar. Darüber hinaus erwiesen sich besonders die Erschließung einer neuen Gästegruppe, nämlich ausländischer Touristen, und die Anpassung des touristischen Angebots an deren Bedürfnisse als sinnvoll. Die Integration umliegender Ortschaften, die durch die Gemeindereform Teil der Stadt Takayama geworden waren, in eine Tourismusregion ist dagegen noch wenig fortgeschritten.
Sollte Ihr Interesse an einer Mitwirkung in der VSJF-Fachgruppe Stadt- und Regionalforschung geweckt worden sein, wenden Sie sich bitte an die
Thomas Feldhoff (UHI, Inverness)