Gender Workshop 2010
Gender und japanische Populärkultur
25.–26. November 2010 in Frankfurt am Main zum Thema „Gender und japanische Populärkultur”
Der diesjährige Gender-Workshop „Geschlechterforschung zu Japan” – der mittlerweile zum 17. Mal stattfand – behandelte das aktuelle Thema „Gender und japanische Populärkultur” und wurde von Prof. Dr. Dr. h.c. Michiko Mae (Universität Düsseldorf) gemeinsam mit Dr. des. Julia Siep (Universität Düsseldorf) und Dr. Ina Hein (Universität Wien) durchgeführt. In fünf Vorträgen wurde das Thema aus kultur- und sozialwissenschaftlicher Perspektive beleuchtet.
Nach einer kurzen Begrüßung und einer Vorstellungsrunde aller Teilnehmer/innen leitete Michiko Mae mit ihrem Vortrag „Revolution der Genderkonzeption in der japanischen Populärkultur?” in die Thematik ein. Die zentrale Frage lautete: Haben neue Genderkonzepte in der japanischen Populärkultur einen Wandel in der realen Gesellschaft gebracht, oder haben sie nur eine Parallelwelt hervorgebracht? Weil Produkte der Populärkultur, in denen durchaus neue Gendermodelle dargestellt werden, von den älteren Generationen kaum wahrgenommen werden, scheint sich die Parallelwelt-These zunächst zu bestätigen, dass diese neuen Gendermodelle nur in der populärkulturellen Welt der jüngeren Generationen existieren. Dennoch werden solche neuen Lebensmodelle auch in der gesellschaftlichen Realität von nicht wenigen otaku und fujoshi (weibliche Fans von sogenannten „boys’-love-Manga”) auf ihre Weise gelebt. Anhand zahlreicher Beispiele aus verschiedenen populärkulturellen Bereichen (shōjo manga, anime, otaku/fujoshi etc.) warf der Vortrag viele aktuelle Fragen auf und gab Denkanstöße, die den ganzen Workshop über immer wieder aufgegriffen wurden.
Ina Hein und Julia Siep knüpften mit einer Diskussionsrunde an den einleitenden Vortrag an. Die Seminarteilnehmer/innen besprachen in Kleingruppen anhand einiger ausgewählter Zitate aus der Populärkulturforschung die vier Themenbereiche „Populärkultur und Intersektionalität”, „Populärkultur – Progressivität vs. Konservatismus?”, „Populärkultur, Repräsentation und Macht” sowie „Populärkultur – Hybridität/Queerness vs. neue Grenzziehungen?”. Unter anderem wurde die Beziehung von Konsum und Populärkultur problematisiert: Werden populärkulturelle Medien bloß rezipiert, oder gibt es eine aktive Auseinandersetzung, die auch gesellschaftlichen Wandel anstoßen kann? Wer hat die Macht, neue Diskurse zu definieren, und kann man überhaupt erwarten, dass Massenprodukte alternative Perspektiven aufwerfen? Die wichtigsten Ideen und Ergebnisse wurden mithilfe eines Flipcharts präsentiert und dienten als Erwartungshorizont, Leitfragen und Orientierungspunkte für den Workshop.
Den Tagesabschluss bildete der Vortrag „Geschlechtersegregation am Spieltisch, Transgender im Geist? – Nicht-digitales Rollenspiel in Japan” von Björn-Ole Kamm (Universität Leipzig). Auf der Grundlage von Interviews, die er in Japan durchgeführt hat, konnte Kamm die Probleme aufzeigen, denen weibliche Spieler auf Conventions begegnen, aber auch die Problematik in der Darstellung weiblicher Charaktere durch männliche Spieler. Es ließ sich das Fazit ziehen, dass es zwar gängige Praxis ist, dass Männer in nicht-digitalen Rollenspielen Frauenfiguren verkörpern und umgekehrt, dass damit aber dennoch die bestehende Geschlechterordnung nicht unterlaufen, sondern im Gegenteil durch die konventionellen Gendervorstellungen der Spieler eher gefestigt wird.
Der zweite Tag des Workshops begann mit der Präsentation von Johanna Mauermann (Universität Frankfurt), die sich mit der „Weiblichen Identitätssuche in japanischen Handyromanen” beschäftigte. Anhand verschiedener Beispiele erläuterte sie, dass Handyromane auf die Bedürfnisse junger Frauen zugeschnitten werden und dabei ein konventionelles Frauenbild zeichnen. Die weiblichen Protagonistinnen finden ihr Glück nur in der großen Liebe und sind bereit, dafür alles zu opfern. Ein Ergebnis lautete, dass diese regressiven Tendenzen eine Reaktion auf die Verwischung der Geschlechtergrenzen in der Populärkultur zu sein scheinen.
Christian Weisgerber (Universität Trier) thematisierte in seinem Vortrag „Der weinende Mann in der Momotarō-Fabula – Eine Konstante und ein neues Element” exemplarisch an den shōnen-Werken One Piece und Naruto das Motiv weinender Männlichkeit. Ausgangspunkt ist die Figur Momotarō, die sowohl als Modell für die hegemoniale Männlichkeitsnorm des „Betriebskriegers” dient, als auch als Prototyp für populäre shōnen-Werke gelten kann. Weisgerber ging der Frage nach was passiert, wenn männliche Figuren weinen und welche Auswirkungen dies auf Männlichkeit im heutigen Japan hat.
In dem abschließenden Vortrag „Boys’ Love in Japanese Shōjo Manga; its Historical Background and the Modern Transformation” von Saeki Junko (Doshisha Universität, Kyoto) ging es um die Darstellung der Liebe zwischen Jungen und jungen schönen Männern in Manga, deren Zielpublikum Mädchen und junge Frauen sind (Boys’ Love Manga). Frau Saeki gab einen umfassenden Überblick über die historische Entwicklung dieses Genres und diskutierte dann mögliche Gründe für die Beliebtheit des Motivs der Boys’ Love.
Der Workshop endete mit einer Abschlussdiskussion, in der die gewonnenen Erkenntnisse reflektiert und auf die eingangs gemeinsam formulierten Leitfragen zurückbezogen wurden. Zudem wurde diskutiert, welche Fragen offen geblieben sind und welche Forschungsfelder sich aus diesen offenen Fragen ableiten lassen. Außerdem überlegten die Teilnehmer/innen gemeinsam, welches Thema im Mittelpunkt des Gender-Workshops 2011 in Ludwigshafen stehen könnte.
Julia Siep (Universität Düsseldorf)
Kontakt zum Workshop:
Sprecherinnen:
Prof. Dr. Ilse Lenz (Ruhr-Universität Bochum)
Prof. Dr. Michiko Mae (Universität Düsseldorf)
E-Mail: gender_studies@vsjf.net