Gender Workshop 2013
Gender und andere Differenzen: neue Ungleichheiten oder neue Chancen in der Differenzgesellschaft (kakusa shakai?)
21.-22. November 2013 im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin
Bereits zum 20. Mal fand der Gender-Workshop „Geschlechterforschung zu Japan“ – wie immer vorgelagert zur Jahrestagung der VSJF – statt. Es ging in diesem Jubiläums-Workshop um Fragen zu Chancen und Problemen in der japanischen Differenzgesellschaft. Prof. Dr. Ilse Lenz (Universität Bochum) und Prof. Dr. Dr. h.c. Michiko Mae (Universität Düsseldorf) leiteten auch diesen Workshop; Koordination und Moderation lagen bei Dr. des. Phoebe Holdgrün (DIJ Tokyo) und Dr. Julia Siep (Universität Düsseldorf).
Nach einer kurzen Begrüßung sowie einer Vorstellungsrunde aller Teilnehmer/-innen begann der erste Workshop-Tag mit einer Open Session, in der verschiedene Projekte und Forschungsarbeiten vorgestellt wurden. Annette SCHAD-SEIFERT (Universität Düsseldorf) beschäftigte sich in ihrem Vortrag „Das ikumen-Projekt: die väterliche Erziehung Japans im Umbruch“ mit Kampagnen zu Familienfreundlichkeit im Allgemeinen und zur Vaterrolle im Speziellen, die durch die Regierung oder durch private Organisationen initiiert wurden. Anhand einiger Zitate betroffener Männer zeigte sie auf, dass diese Männer ihre Rolle als Vater aktiv und bewusst angehen, dass aber immer noch zahlreiche Hürden auf verschiedenen Ebenen existieren, diese Rolle zu erfüllen. Einen einführenden Überblick über die Thematik des Workshops gab Ilse LENZ (Ruhr-Universität Bochum). Sie präsentierte einige Theorieansätze im Feld der Intersektionalität. Darauf aufbauend stellte sie ihren Ansatz der „wechselwirkenden Ungleichheiten“ vor, in dem sie die interdependente und prozessuale Strukturierungswirkung von Ungleichheitskategorien betont, zu denen auch immer die Kategorie Geschlecht gehört. Phoebe HOLDGRÜN und Barbara HOLTHUS (DIJ Tokyo) präsentierten unter dem Titel „Gender in Partizipationsstrategien: Mütter gegen Radioaktivität“ ein aktuelles Forschungsprojekt, in dessen Mittelpunkt die Fallstudie über eine lokale Gruppe von Müttern im landesweiten Elternnetzwerk in Japan zum Schutz von Kindern vor radioaktiver Strahlung steht. Während die Aktivistinnen auf den ersten Blick nur wenig Einfluss auf die Lokalregierungen zu nehmen scheinen, wurde deutlich, dass sie sich bewusst Idealzuschreibungen bei der Mutterrolle zu eigen machen, um diese strategisch und langfristig zu nutzen. Mit dem Vortrag „Schreiben an der Peripherie: Widerständisches Schreiben japanischer Autorinnen abseits von Tokyo“ schloss der erste Workshop-Tag. Tamara KAMERER (Universität Wien) stellte ihr Dissertationsvorhaben vor und ging der Frage nach, wie sich strukturelle Schwächen marginaler Regionen intersektionell mit der Kategorie Gender überkreuzen und wie dies in der Literatur japanischer Gegenwarts-Autorinnen dargestellt wird.
Die Vorträge am zweiten Workshop-Tag vertieften das Schwerpunktthema weiter. Maya TODESCHINI (Universität Genf) diskutierte die Frage, inwieweit Frauen selbst (implizit) als Verursacherinnen von Ungleichheit gelten können. Auf der Grundlage von Umfragen und Interviewdaten hob sie hervor, dass viele junge Japanerinnen dazu tendieren, kein großes Interesse an einer beruflichen Karriere zu zeigen. Neben einem negativen Image von Frauen auf Managementposten fällt auch der Mangel an weiblichen Rollenvorbildern ins Gewicht. Eine Perspektive auf komplexe Ungleichheiten verfolgte Sawako SHIRAHASE (Universität Tokyo) in ihrem Vortrag „Ageing Population in an Unequal Society: Japan, from a Gender Perspective“. Darin verband sie die Kategorie Gender mit der Kategorie Alter. Nach einem Überblick über den demographischen Wandel Japans seit den 1960er Jahren ging Shirahase vor allem auf intergenerationale Konflikte zwischen Frauen bezogen auf das Problem des Armutsrisikos ein. Gracia LIU-FARRER (Waseda Universität) setzte in ihrem Vortrag über chinesische Migrantinnen und deren berufliche Karrieren in Japan die Kategorien Gender, Ethnizität und beruflicher Status in Verbindung. Ihr zufolge erfahren chinesische Migrantinnen eine doppelte Diskriminierung als Frau und als Ausländerin, haben aber zugleich dadurch die Chance, Karrieren zu verfolgen (z.B. in transnationalen Unternehmen), die japanischen Frauen meist verschlossen bleiben. Margarita ESTÉVEZ-ABE (Universität Turin) untersuchte in ihrem Vortrag „An International Comparison of Gender Equality: Why is the Japanese Gender Gap so Persistent?“ die institutionellen Rahmenbedingungen, die Geschlechtergleichheit begünstigen bzw. behindern. Im Vergleich mit anderen Ländern stellte sie für Japan fest, dass insbesondere die japanische Regierung in der Verantwortung steht, bessere Bedingungen für weibliche Berufstätigkeit und Karrierewege zu schaffen.
Nach einer intensiven Abschlussdiskussion überlegten die Teilnehmer/-innen gemeinsam, welches Thema im Mittelpunkt des nächsten Gender-Workshops, der 2014 in Berlin stattfinden wird, stehen könnte. Ein entsprechender Call for Papers wird voraussichtlich im Frühjahr 2014 verschickt.
Julia Siep & Phoebe Holdgrün