Jahrestagung 2010

Cultural Power Japan – Impact and Intellectual Dimensions

Konferenzbericht zur Jahrestagung der Vereinigung für sozialwissenschaftliche Japanforschung e.V. vom 26. bis 28. November 2010 in Frankfurt am Main

Die Jahrestagung der Vereinigung für sozialwissenschaftliche Japanforschung (VSJF) 2010 fand vom 26. bis 28. November 2010 mit dem Thema „Cultural Power Japan – Impact and Intellectual Dimensions“ auf dem Campus Westend der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main statt. Sie wurde organisiert von Prof. Dr. Lisette Gebhardt und Dr. des. Cosima Wagner (Fachbereich 9: Sprach- und Kulturwissenschaften, Japanologie) und finanziell unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main, die Freunde und Förderer der Goethe-Universität e.V., Japan Airlines (JAL), den EB-Verlag und die Deutsch-Japanische Gesellschaft Frankfurt am Main e.V. .

Dreizehn Referentinnen und Referenten aus Japan, Israel, Frankreich, Italien und Deutschland widmeten sich in vier Panels dem Untersuchungsgegenstand japanische Populärkultur und ihrer globalen Rezeption. Über 120 Teilnehmende aus dem In- und Ausland besuchten die Veranstaltung, zum vorangestellten 17. Gender-Workshop vom 25.-26. November 2010 (Veranstalter: Prof. Dr. Ilse Lenz, Prof. Dr. Dr. h.c. Michiko Mae) mit dem Titel „Gender und japanische Populärkultur“ kamen 40 TeilnehmerInnen.

Ausgangspunkt der Tagung war die Frage nach Japans Rolle als Kulturmacht im 21. Jahrhundert. Seit den 1990er Jahren erlebt die japanische Populärkultur, insbesondere Manga, Anime, Videospiele, Pop-Musik und Cosplay einen weltweiten Boom, der Lebensstile Jugendlicher und junger Erwachsener in zahlreichen Ländern der Welt prägt. Die japanische Regierung wiederum nutzt das (neue) Image des „kreativen“ Japan und wirbt seit Mitte der 2000er Jahre mit dem Motto Cool Japan für Japan als Nation Brand; die Populärkultur, so denken etliche Stellen, sei nicht nur für die Außenpolitik, sondern auch für die japanische Wirtschaft zu einer tragenden Säule geworden und könne sogar einen Ausweg aus den Wirtschaftskrisenjahren aufzeigen. In der internationalen Japanforschung wurde das Thema zuletzt auf Konferenzen in Paris (2007), Berlin (2007/2008), Frankfurt (2008) und Tokyo (2010) erörtert. Auch Mitglieder der VSJF haben in Form von Publikationen Forschungsbeiträge hierzu geliefert (Manzenreiter 2007, Gebhardt 2008, Richter 2008, 2010). Vor diesem Hintergrund widmete sich die Tagung folgenden Fragen:

  • Welche Perspektiven und Erkenntnisse kennzeichnen die Diskussion um Japan als Kulturmacht des 21. Jahrhunderts und wie positionieren sich japanische Intellektuelle hierzu?
  • Was sind die ideologischen und ökonomischen Implikationen des globalen Japan-„Hypes“ und inwiefern können J-Pop-Produkte als Instrumente des Aufbaus von außen- bzw. wirtschaftspolitischer soft power identifiziert werden?
  • Welche empirischen Nachweise eines messbaren Einflusses von Japans Populärkultur auf die globale Jugend gibt es?
  • Wie wird Japans (neue?) Kulturmacht von westlichen Ländern bzw. den asiatischen Nachbarländern beurteilt?

Zur Diskussion und Beantwortung dieser Fragen setzte die Tagung die folgenden drei Schwerpunkte:

Erstens sollten Kommentare der japanischen Kritiker, Kulturphilosophen und Makrosoziologen gesichtet und in die Diskussion im westlichen Raum mit einbezogen werden. So erhielt der japanische Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Toshiya Ueno (Wako Universität Tokyo) die Möglichkeit, seine Thesen sowie den innerjapanischen Diskurs um das Thema Cool Japan vorzustellen und mit europäischen Kolleginnen und Kollegen in Austausch zu treten. Zugleich berichtete Prof. Dr. Steffi Richter (Universität Leipzig) über ihre Beteiligung an einschlägigen Konferenzen in Japan (3/2010).

Zum Zweiten galt es, die Position Japans als Kulturmacht im asiatischen und im europäischen Raum aufzuzeigen. Hatte man in der Vergangenheit den Japan-Boom in Asien, Europa und den USA jeweils separat untersucht, so sollte die Jahrestagung 2010 auch als Plattform einer transnationalen, multidisziplinären Betrachtung des Themas dienen. Die Japanologie Frankfurt wurde dabei durch Nachwuchsforscher der Fächer Sinologie (Mirjam Tröster, M.A.) und Südostasienwissenschaften (Sven Kosel, M.A.) des Interdisziplinären Zentrums für Ostasienforschung (IZO) der Goethe-Universität unterstützt.

Drittens sollten auch Einflüsse von japanischen Werbefirmen, Copywritern und Lifestyledesignern auf die japanische postindustrielle Konsumentengesellschaft sowie auf die globale Kundschaft der „Lebensstil-Supermacht“ Japan ausgemacht werden. Mit seiner Expertise als Medien-Produzent, Berater der japanischen Regierung und Professor für Mediendesign an der Keio-Universität, Tokyo zeigte Ichiya Nakamura als keynote-Redner und weiterer Gast aus Japan den Prozess der Entwicklung und Produktion von kulturellen Inhalten am Beispiel des von ihm geleiteten „Pop Power Projects“ auf. Die Frage nach der Rezeption und den „Auswirkungen“ von Japans pop power in Europa wurde anhand empirischer Daten von Mitgliedern des European Manga Network untersucht (Prof. Dr. Jean-Marie Bouissou, Dr. Marco Pelliteri). Weltweit gibt es bislang nur für die USA kleinere qualitative Umfragen zu rezeptionsbedingten Haltungen der jugendlichen Japan-Fans. Das European Manga Network verfügt mittlerweile über Datenmaterial aus 1.800 Fragebögen von Jugendlichen in drei Ländern Europas (Deutschland, Frankreich, Italien) und gab im Rahmen des dritten Panels aktuelle Antworten auf die Frage des japanischen globalen „impact“, ergänzt durch die Skizzierung eines Dissertationsprojektes zur Analyse weltweiter otaku-Netzwerke (Björn-Ole Kamm, M.A.).

Ein abschließendes NachwuchsforscherInnen-Panel bearbeitete das Phänomen der Kulturmacht Japan aus der Perspektive von Studierenden; es bot die Möglichkeit, laufende Projekte bzw. Abschlussarbeiten zur japanischen Populärkultur vorzustellen (Sebastian Böhnert, Christopher Derbort, Katharina Hülsmann, Alexandra Ivanova, Andreas van Strahlen).

Auftakt der Konferenz

Nach der offiziellen Eröffnung mit Grußworten des Vize-Präsidenten der Goethe-Universität, Prof. Dr. Dr. Matthias Lutz-Bachmann, und des VSJF-Präsidenten PD Dr. Christoph Brumann, stimmten drei studentische Vertreter der Cool Japan-Arbeitsgemeinschaft der Japanologie Frankfurt die Anwesenden mit einem kurzen Bericht über die wenige Wochen zuvor absolvierte Japan-Exkursion zu den Orten und Institutionen der japanischen Popkulturindustrie auf das Tagungsthema ein (ein ausführlicher Reiseblog zur Exkursion ist unter folgendem Link einzusehen: http://cooljapan.de/pages/blog.php). Auf die einführenden Worte der Organisatorinnen Prof. Dr. Lisette Gebhardt und Dr. des. Cosima Wagner folgte eine kleine musikalische Reise nach Cool Japan, die das Musikalische Ensemble der Japanologie Frankfurt (Leitung: Melanie Flemming) gestaltete.

Den Auftakt des inhaltlichen Teils der Konferenz bildete der Eröffnungsvortrag des japanischen Medienwissenschaftlers Ichiya Nakamura (Keio-Universität, Tokyo), der auf eine langjährige Erfahrung als Wissenschaftler, aber auch als „Macher“ von Populärkultur zurückblickt (unter anderem als Produzent der Rockband Shonen Knife in den 1990er Jahren) und seit der Jahrtausendwende als Leiter zahlreicher Regierungskommissionen zur Förderung der japanischen contents industry in Erscheinung getreten ist. Er widmete sich in seinem aufschlußreichen Beitrag mit dem Titel Pop Power Project – Designing Japanese Popular Cultureder Rolle Japans als einem Land, das eine international anerkannte und zunehmend erfolgreiche Populärkulturproduktion vorzuweisen habe – in Form von Gütern wie Comics, Zeichentrickfilmen und Videospielen, aber auch in Manifestationen wie Kleidung, Essen und Design. Nakamura ging dabei auf die wichtige Rolle des Internets für die Expansion japanischer Populärkultur ein und bot weiterhin einen Einblick in die japanische Kreativ-Erziehung im Rahmen von Projekttagen und Workshops zur Produktion von Schüler-Anime an Grund- bzw. Mittelschulen im Raum Tokyo. Zum Schluss stellte der Redner wichtige Institutionen zur Förderung der Kreativindustrie vor; diese hätten es sich zum Ziel gesetzt, Populärkultur als Wirtschaftszweig nachhaltig zu verankern („Gross National Cool“).

Panel 1 : „Intellectual Meta-Theories – Discourse on Japan’s Cultural Power“

Das erste Panel, „Intellectual Meta-Theories – Discourse on Japan’s Cultural Power“, moderiert von Lisette Gebhardt, bestand aus Beiträgen von Toshiya Ueno und Steffi Richter. Im Vortrag „The Structure of Moe or Wabi Sabi Moe“, dessen Titel vom Werk des japanischen Philosophen Kuki Shuzo „The Structure of Iki (Chic)“ angeregt wurde, beschäftigte sich der japanische Kultursoziologe und Kulturkritiker Toshiya Ueno (Wako-Universität) mit kritischem Impetus sowohl mit den aktuellen in Japan stattfindenden Diskursen um otakumoe und Cool Japan als auch mit Thematiken wie der (Un-)Möglichkeit von Übersetzungen, der sogenannten Inter-Kommunikation und dem kritischen Dialog zwischen dem Westen und Asien/Japan.

Im Anschluss daran konzentrierte sich die deutsche Japanologin Steffi Richter (Universität Leipzig) in ihrer Präsentation „‚Cool Japanology‘ – Prospects and Risks” zunächst auf die Ursprünge und maßgeblichen Akteure des Cool Japan-Diskurses, um darin der Frage nach der Bedeutung der radikalen sozio-kulturellen Veränderungen der 1980er und 1990er Jahre als Prämisse für den Aufstieg von Cool Japan nachzugehen und die Frage aufzuwerfen, inwieweit eine neue „Sprache“ geschaffen werden müsse, die es einem erlaube, diesen Paradigmenwechsel vor dem Hintergrund geläufiger Dichotomien wie „Innen vs. Außen“, „Japan/Orient vs. Westen“ u.ä. zu artikulieren und zu analysieren. Welche Rolle das Feld der „Coolen Japanologie“ bei der Erschaffung dieser neuen Sprache spiele, erläuterte sie im ersten Teil des Vortrages. Danach behandelte sie die Frage, inwieweit mit dem Phänomen otaku als Fallbeispiel eine umfassende empirische und theoretische Analyse des paradoxen Komplexes des „konsumtorischen Kreativsubjektes“ – als hegemoniale Form einer postmodernen Ära des späten Kapitalismus – erfolgen kann.

Panel 2 : „Past and Present of Japanese Cultural Hegemonies as Mirrored in Popular Culture in South Korea and Southeast Asia”

Das zweite Panel, moderiert von Mirjam Tröster, M.A. (Sinologie, Goethe-Universität Frankfurt) und Sven Kosel, M.A. (Südostasienwissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt) zum Thema „Past and Present of Japanese Cultural Hegemonies as Mirrored in Popular Culture in South Korea and Southeast Asia” wurde durch den Vortrag zu „Japan Imagined: Popular Culture, Soft Power, and the Changing Perception of Japan in East and Southeast Asia“ von Dr. Nissim Otmazgin (East Asian Studies Dept., Hebrew-Universität, Jersualem) eingeleitet. In seinen Ausführungen beschäftigte der Redner sich mit der massiven Expansion japanischer Populärkultur in Nordost- und Südostasien. Mit der Verbreitung popkultureller Güter im asiatischen Ausland gebe es nicht nur eine Vielzahl von Konsumoptionen, sondern es sei auch ein starker Einfluss darauf feststellbar, wie junge Konsumenten über Japan denken. Zentrales Thema war somit, inwiefern (japanische) Populärkultur in Form von Musik, Anime oder Fernsehserien u.a. zur Formierung eines Japan-Images im asiatischen Ausland beitragen könne. Basierend auf diesem Erkenntnisziel dienten die Ergebnisse eines unter Studierenden aus Hong Kong, Bangkok und Seoul verteilten Fragebogens der genaueren Betrachtung, um der Reziprozität von Populärkultur und damit einhergehender Image-Prägung(en) nachzugehen. Als Ergebnis stellte Otmazgin eine Image-Änderung Japans durch die Verbreitung popkultureller Güter vor. Diese Images würden demnach bei den befragten Jugendlichen in den drei Ländern Einstellungen hervorbringen, die mit Sympathie und einem Gefühl von Nähe zu Japan beschrieben werden könnten. Anders jedoch als das Soft-Power-Konzept seien diese inkonsistent, implizit und Subjekt unterschiedlichster Interpretationen, so dass die Anwendbarkeit auf die Produktion von politischer Macht für den Staat auf der Autoritäts- oder Kontrollebene doch eher anzuzweifeln sei.

Im anschließenden Vortrag zu „Cultural Flows and Masculine Anxieties – Analysis of Representations of Soft Masculinities in Contemporary Korean Popular TV Drama Series“ berichtete Joanna Elfving-Hwang (Junior-Professorin für Koreanistik, Goethe-Universität Frankfurt) am Beispiel der Rezeption und Neu-Verfilmung des japanischen Fernsehdramas Hana yori dango in Südkorea („Boys over Flowers“, koreanischer Titel: Kgotboda Namja) über ihr aktuelles Forschungsprojekt zu Repräsentationen von Männlichkeit in der südkoreanischen Populärkultur. Das Phänomen der „flower boys“ (kgot minam), junge Männer in Südkorea, die sich nach den Stars des besagten Dramas betont feminin kleideten und schminkten, sei zu einem Gesellschaftsphänomen geworden, das für eine Analyse der kulturellen Globalisierung von Populärkultur im Rahmen der Gender-Studies zahlreiche Anknüpfungspunkte biete.

Panel 3 : „Manga in Europe – Empirical Findings and their Interpretation”

Das dritte Panel, moderiert von Dr. Bernd Dolle-Weinkauff (Kustos am Institut für Kinder- und Jugendbuchforschung der Goethe-Universität Frankfurt und Mitglied des European Manga Network) beschäftigte sich unter dem Titel „Manga in Europe – Empirical Findings and their Interpretation“ mit empirischen Forschungsergebnissen zu Untersuchungen des Manga-Genres in Europa sowie der Frage eines globalen otaku-Lifestyles als gemeinschaftsförderndem Moment innerhalb sozialer Netzwerke. Jean-Marie Bouissou (SciencesPo, CERI, Paris) eröffnete das Panel mit seinem Vortrag „A Case-Study in Export, Localization and Hybridizing of the Japanese Popular Culture – The Birth and Growth of the French Manga Market”. Obwohl es zunächst vor allem von kulturpolitischer Seite Widerstände gegen die Einfuhr japanischer populärkultureller Güter gegeben habe, sei Frankreich mittlerweile zu einem der größten Absatzmärkte für japanische Manga geworden, deren Anteil am französischen Comic-Markt derzeit bei 37 Prozent liege. Bouissou erläuterte detailliert den Prozess der Lokalisierung von Manga in Frankreich und seine als äußerst positiv bewerteten Auswirkungen auf das Ansehen und die Kreation des bandes dessinées Comic-Genres allgemein.

Der zweite Vortrag von Marco Pellitteri (Istituto Italiano per l’Industria Culturale, Rom) trug den Titel „Japan’s Cultural Power in Italy – Theoretical Remarks and the Case of Italy as a Special Laboratory in J-Culture’s Export to the West”. Auch Italien sei als eines der europäischen Länder anzusehen, in dem die japanische Populärkultur eine hohe Verbreitung zu verzeichnen habe. Das italienische Fernsehen habe seit den 1970er Jahren die höchste Anzahl japanischer Anime-Serien in Europa gekauft und im TV ausgestrahlt, nach Frankreich würden im Land die größte Anzahl von Manga in Europa publiziert. Anschließend präsentierte er quantitative und qualitative Daten aus zwei Forschungsprojekten mit italienischen Teenagern aus dem Jahr 2007-2008, die er im Rahmen seiner Dissertation („Youth’s readings, prejudice and trans-culturality: cultural consumptions, comics and attitudes amongst teenagers – The Italophones’ case in South Tyrol“, 2009) zur Rezeption japanischer Populärkultur in Italien erhoben hatte. Zur Diskussion stellte er das Ergebnis seiner Studie, nach dem der Konsum von Manga und Anime in Italien als Generationen konstituierendes Element herausgearbeitet werden könne.

Abschließend sprach Björn-Ole Kamm (Japanologie, Universität Leipzig) über „Global Communities and Networks of the Otaku-kei bunka? Flows, Counter-Flows and their Barriers”. Ausgehend von einer These des otakingu (Wortspiel aus dem jap. Wort otaku und dem engl. king) Toshio Okada, der die Spezies der otaku einmal als Vorboten eines neuen Netzwerk-Zeitalters beschrieb, in dem Faktoren wie Nationalität oder Ethnizität keine Rollen mehr spielten, diskutierte Kamm die Rolle des Internets für die Ausbreitung eines weltweiten Jugend-otaku-Lifestyles. Amerikanische wie europäische junge Menschen bezeichneten sich selbst als otaku und reisten sogar zu den „heiligen Stätten” in Tokyo, wie Akihabara, Nakano und Ikebukuro. Ungeachtet der Ströme und Gegenströme von Gedanken und der Überschreitung von nationalen und kulturellen Grenzen, bleibe ein direkter Austausch japanischer otaku und ihren entsprechenden Gegenübern im Ausland jedoch allenfalls begrenzt. Hier will Kamm in seinem geplanten Dissertationsprojekt zur globalen otaku-Kultur ansetzen und auf innovationstheoretischer Grundlage „Informationsregulatoren“ herausarbeiten, die die internationale Verbreitung der otaku-Praxis bestimmen.

Panel 4 : „Reading Manga – Studying Japanese Studies?“

Das vierte Panel zum Thema „Reading Manga – Studying Japanese Studies?“ setzte sich aus vier Vorträgen von fünf Studierenden der Japanologien der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und der Goethe-Universität in Frankfurt zusammen (Moderation: Cosima Wagner), deren gemeinsame Grundlage die Frage nach der Bedeutung der japanischen Populärkultur für das Studium der Japanologie heute und die Auswahl sowie Bearbeitung von populärkulturellen Forschungsthemen war. Auftakt des Studierenden-Panels, das in dieser Form zum ersten Mal auf einer VSJF-Jahrestagung veranstaltet wurde, bildete der Vortrag „The Uncanny in Modern Japanese Detective Fiction“ von Sebastian Böhnert und Andreas van Straalen (beide Universität Düsseldorf), in dem sie Ergebnisse ihrer gemeinsamen Bachelor-Arbeit vorstellten. Anschaulich arbeiteten sie heraus, wie das Mystery-Genre des Detektiv-Romans innerhalb der japanischen Literatur durch die Populärkultur, insbesondere light novels und das Aufgreifen von Detektiv-Geschichten in Videospielen und Anime-Serien, seit den 1980er und verstärkt den 2000er Jahren „wiederbelebt“ worden sei, wobei das Motiv des „Unheimlichen“ als entscheidend für den Erfolg der Geschichten angesehen werden müsse. Methodisch dem literaturwissenschaftlich-japanologischen Repertoire verpflichtet, skizzierten sie anschließend ihre Master-Arbeitsprojektideen, in denen eine interkulturelle Perspektive auf den Literaturdiskurs und die Rolle populärkultureller Medien vertieft werden soll.

Katharina Hülsmann (Universität Düsseldorf) thematisierte in ihrer Präsentation zu „‚Japanese Cool‘ in American cartoons: The creation of an Asian identity in the TV-series Avatar: The Last Airbender” die Frage der Konstruktion von Japanizität in internationalen populärkulturellen Produktionen. Wie sie in ihrer gleichnamigen Bachelor-Arbeit zeigen konnte, lege das Beispiel der US-amerikanischen TV-Serie Avatar offen, dass die Konstruktion eines „asiatischen“ Umfelds in den einzelnen Folgen grundlegend für ihren Erfolg unter den jugendlichen Fans gewesen sei. Obwohl die Serie in den USA für den dortigen Markt in englischer Sprache produziert wurde, seien zahlreiche Fans überzeugt gewesen, dass es sich um einen Import aus Asien handle und hätten bedauert, dass die Episoden nicht in der „asiatischen Originalsprache“ mit englischen Untertiteln gesendet worden seien. Hülsmann schlussfolgerte, dass nicht zuletzt vor diesem Hintergrund der Boom der japanischen Populärkultur und die mukokuseki-These („Geruchslosigkeits“-Annahme japanischer Populärkultur) des Medienwissenschaftlers Koichi Iwabuchi neu diskutiert werden müsse.

Alexandra Ivanova (Goethe-Universität Frankfurt) diskutierte in ihrem Vortrag „Professional otaku – fan-intelli in the context of ‚Cool Japan‘“ anhand zweier führender Protagonisten des Cool Japan-Diskures, Hiroki Azuma und Mari Kotani, die Frage der Verschmelzung von Fantum und Wissenschaft in Japan. Während die Literaturwissenschaftlerin und Science-Fiction Autorin Kotani ihre Forschungsergebnisse auf einer Cosplay-Veranstaltung vorstelle, inszeniere der Kulturkritiker Azuma sich als Professor der otaku-Philosphie. Die Dualität von „fan“ und „intellectual“ im Begriff fan-intelli werde dabei jedoch nicht als Gegensatzpaar, sondern als fruchtbare Synthese zur Analyse populärkultureller Phänomene angesehen, da sie eine Kombination aus aktiver Teilnahme an Populärkultur und gleichzeitiger reflexiver Auseinandersetzung mit dieser beinhalte. Für die abschließende gemeinsame Diskussion stellte Ivanova die Frage, welche Risiken, aber auch welche Chancen fan-intelli-Forschungen für die akademische und mediale Sphäre darstellten und ob der an Japanologie-Studierende häufig herangetragene „Verdacht des Fan-Seins“ tatsächlich negativ oder positiv zu werten sei.

Christopher Derbort (Goethe-Universität Frankfurt) konzentrierte sich in seiner Präsentation mit dem Titel „From ‘Super Flat’ to ‘Super Mario’? Masuyama Hiroshi and the Discourse on Japanese Video Games“ auf japanische Beiträge zum Kulturdiskurs um die Interpretation des Phänomens „Videospiele“, welche er derzeit in einem Bachelor-Arbeitsprojekt untersucht. Gemäß den Studien des Medienwissenschaftlers Hiroshi Masuyama hätten in Japan entwickelte Videospiele deshalb solch internationale Erfolge zu verzeichnen, da sie als „interaktive Medien“ in Japan besonders hochwertig designt worden seien und in dieser Form ein Bedürfnis nach Abwechslung und exzellenter Unterhaltung bedienten. Während Masuyama zahlreiche gute Ansätze zur Analyse des Mediums Videospiele und seiner regionalspezifischen Ausformungen biete, bleibe jedoch die Frage nach der Benennung von Elementen, die die Japanizität von Videospielen wie „Super Mario Brothers“ etc. belegen würden, nach wie vor unbeantwortet. Statt kulturalistischer Zuweisungen sei hier eine tiefergehende Untersuchung des Komplexes unter Zuhilfenahme der Methoden der kulturwissenschaftlichen Technikforschung und der Game Studies ein dringendes Forschungsdesiderat.

Abschlussdiskussion

Die Abschlussdiskussion der Tagung griff noch einmal die eingangs von Steffi Richter gestellte Frage auf, inwiefern es für das theoretische Durchdringen von Cool Japan nicht einer „Cool Japanology“ bedürfe, die das populärkulturelle Japan als „ein Feld lokaler und globaler Entwicklungen spätkapitalistischer Informations- und Mediengesellschaften allgemein“ untersuchen müsse. Neben dem Blick auf Japan als „Treibhaus“ für die Entstehung neuer Medien, Lifestyles und High-Tech-Produkte, müssten so auch ähnliche Prozesse in der jeweils eigenen Gesellschaft analysiert werden. Zu prüfen sei zudem die Nachhaltigkeit des Japan-Booms und seine Eignung als „Gemeinschaft stiftendes Moment“ in Asien, bzw. für Jugendgenerationen weltweit sowie das Eingreifen des Staates in die Kulturproduktion, wie sie insbesondere von Seiten des japanischen Ministeriums für Wirtschaft und Industrie (METI) angestrebt wird (Einrichtung eines Creative Industries Promotion Office zur Durchsetzung des „long term concept ‚Cool Japan’ “ im November 2010). Die Anwesenden waren sich einig, dass die Tagung in ihrem kulturbezogenen Gesamtkonzept und in ihrer interdisziplinären, interkulturellen Ausrichtung erfolgreich stattgefunden und zum weiteren akademischem Austausch auf dem Gebiet der „Cultural Power Japan“ angeregt hat. Eine Publikation der Beiträge wird angestrebt.

Lisette Gebhardt und Cosima Wagner