Fachgruppensitzung Erziehung 2004

In der Fachgruppe standen zwei Referate auf der Tagesordnung. Als erstes berichteten Iris Petzold und Nadja Ringel von der Humboldt Universität Berlin von der Erstellung eines Vorbereitungstrainings für deutsche Fach- und Führungskräfte, die nach Japan entsandt werden sollen, im Rahmen ihrer Magisterarbeit in Psychologie. Ziel ist die Erstellung eines wissens- und verstehensorientierten Selbstlernverfahrens, das dem Lernenden fremdkulturelles Verhalten kulturadäquat erklärt, und das in möglichst kurzer Zeit. Mit diesem Wissen soll der Lernende interkulturelle Handlungskompetenz aufbauen. Sehr anschaulich beschrieben die beiden Referentinnen den theoretischen Hintergrund und die Vorgehensweise. Die Ausarbeitung des Trainings beruht auf der Befragung von 28 in Japan tätigen Deutschen, die nach kritischen Interaktionssituationen mit Japanern gefragt wurden. Die Ergebnisse wurden dann Japanexperten vorgelegt, die die kritischen Situationen erklärt bzw. interpretiert haben. Die darauf folgende qualitative Inhaltsanalyse der Expertenbefragung diente der Identifizierung von deutsch-japanischen Kulturstandards, die die Grundlage für die Ausarbeitung des Trainingsmanuals darstellten.

Anhand von Beispielen aus dem vorläufigen Manual wurden erste Ergebnisse vorgestellt, die zu einer regen Diskussion im kleinen aber feinen Forum führten. Dabei wurde, wie nicht anders zu erwarten war, deutlich, dass es in der Wahrnehmung und Interpretation der kritischen Situationen nicht nur kulturelle Unterschiede gibt, sondern auch solche, die sich aus der Geschlechtszugehörigkeit der InteraktionspartnerInnen ergeben.

Den zweiten Vortrag hielt Hans Martin Krämer von der Ruhr-Universität Bochum, mit dem Titel „Zwischen Chancengleichheit und Wesensverschiedenheit: Höhere Bildung für Frauen in Japan, 1919 bis 1952“. Entgegen der gängigen Auffassung, dass erst die amerikanische Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan der Frauenbildung die Tore geöffnet hätte, weist Hans Martin Krämer anhand anschaulicher Beispiele nach, dass die Grundlagen dafür bereits vorher geschaffen worden waren. So wurden Forderungen nach Möglichkeiten eines regulären Zugangs für Frauen zu Universität und anderen höheren Bildungsmaßnahmen bereits in den 1920er und 1930er Jahren laut. In der Bildungsreformdiskussion sowie in den zuständigen Gremien, wie dem Kultusministerium, fanden sie bereits vor dem Zweiten Weltkrieg einen breiten Konsens, auch wenn sie erst während der Besatzungszeit strukturell umgesetzt wurden. Chancengleichheit wurde wiederum sowohl vor als auch nach 1945 so verstanden, dass Frauen zwar Zugang zu höherer Bildung bekommen sollten, jedoch in getrennten Einrichtungen und Klassen und ferner mit anderem Inhalt (Haushaltswissenschaften). Das maßgebliche verbindende Element der Haltungen vor und nach 1945 bezeichnet Krämer als „Etatismus“, der weitgehend unabhängig vom politischen System die Mobilisierung aller gesellschaftlichen Kräfte für den Staat einforderte und den Staat für den einzig denkbaren Garanten einer Verwirklichung von sozialer Gleichheit hielt.

Auch nach diesem Beitrag brannten den ZuhörerInnen viele Fragen auf der Zunge und nur die als nächsten Programmpunkt anberaumte Mitgliederversammlung zwang die TeilnehmerInnen der FG dazu, Wissensdurst und Diskussionslust einzuschränken.