Fachgruppensitzung Kultur und Medien 2021
Organizer: Elisabeth Scherer (Universität Düsseldorf)
Die Konstruktion von kultureller Identität in Schriften über Okinawa von Shimao Toshio (Liliane Höppe, Japanologie Universität Wien)
Der Diskurs um die kulturelle Identität Okinawas, die sich u.a. aus der Beziehung der Präfektur zu den Hauptinseln Japans konstruiert, wird auch heute immer noch äußerst kontrovers geführt. Der japanische Schriftsteller Shimao Toshio versuchte mit seinem Yaponeshia-Konzept, das er erstmals 1961 in seinem Essay „Yaponeshia no nekko“ („Die Wurzel Yaponesiens“) formulierte, diese Beziehung in ein völlig neues Licht zu rücken. In seinen Schriften vereint er verschiedene Gebiete Japans unter dem Oberbegriff „Yaponeshia“ zu einer ganz Japan umfassenden, heterogenen Kultursphäre und stellt sich damit gegen die in den nihonjinron propagierte vermeintliche Homogenität der japanischen Kultur. Paradoxerweise kann man das Yaponeshia-Konzept jedoch gleichzeitig auch als eine Form von nihonjinron betrachten, mit dem der Versuch unternommen wird, Okinawa erneut als einen integralen – nur ursprünglicheren – Teil Japans zu konstruieren.
Der Vortrag von Juliane Höppe stellte einen Ausschnitt aus ihrem Dissertationsvorhaben vor, in dem sie sich mit diesen Konstruktionsversuchen der ‚kulturellen Identität Japans‘ durch Shimao befasst. Dabei wurde die qualitative Analyse eines exemplarisch ausgewählten Essays aus dem ca. 150 Texte umfassenden Korpus vorgestellt. Dies erfolgte aus der Perspektive der Imagologie, vor dem Hintergrund von Theorien zu Identitätskonstruktion, kultureller Identität, und Othering. Diese Art von Textanalyse stellt einen von zwei Schritten des Dissertationsvorhabens dar, in dem qualitative und computergestützte quantitative Methoden in einer kritischen Diskursanalyse vereint werden. Im Fokus stehen dabei die Fragen, wie und ob Shimaos Publikationen zu den „Südinseln“ (nantō) zwischen dem ‚Eigenen‘ und ‚Fremden‘ differenzieren, wie der Autor differente Okinawa- und Japanbilder in seinem Yaponeshia-Konzept miteinander vereinbart und was für politische Implikationen das nach sich zieht.
Graphicons kontrastiv – ein Vergleich zwischen einem japanischen Line-Gruppengespräch und einem deutschen WhatsApp-Gruppengespräch (Dr. Michaela Oberwinkler, Japanologie Universität Tübingen)
In dieser empirischen Studie werden Visualisierungen in deutschen und japanischen digitalen Gruppengesprächen verglichen. Als Datenmaterial dienen authentische Chats eines japanischen LINE-Gruppentalks und eines deutschen WhatsApp-Gruppengesprächs, die über 22 Monate lang mit ethnographischen Untersuchungsmethoden beobachtet wurden. In der Analyse spielen neben klassischen Emoticons (westliche Smilies und japanische kaomoji) auch Emoji und japanische Sticker (sutampu) eine Rolle.
Zentrale Fragen in der Untersuchung behandeln folgende Themen: Welche Art der Visualisierung wird verwendet (welche Emoticons, Emoji, Sticker) und in welcher Häufigkeit? Gibt es bei den Gesprächsteilnehmern individuelle Vorlieben oder lässt sich ein gemeinsamer Gruppenstil erkennen? An welchen Stellen im Gespräch werden Visualisierungen in erster Linie eingebaut? Finden sich alle Visualisierungen nur am Satzende oder gibt es auch Beispiele für Verwendungen am Satzanfang oder Satzmitte? Welche Funktionen übernehmen die jeweiligen Visualisierungen?
Zur Beantwortung dieser Fragen wurde eine linguistische Diskursanalyse durchgeführt, durch die im Chatverlauf kulturspezifische Besonderheiten auf der Stilebene eruiert werden konnten. Die Unterschiede zeigen sich sowohl bei der Wahl der Graphicons als auch bei der Verwendungsweise hinsichtlich der Funktionen, wie beispielsweise eine Ökonomisierung oder Modalisierung der Chatverläufe.