Fachgruppensitzung Soziologie und Sozialanthropologie 2007

Nach der Begrüßung durch die Sprecher der Fachgruppe und einer kurzen Vorstellungsrunde wurden zwei Forschungsprojekte präsentiert und diskutiert. Zunächst stellte PD Dr. Axel Klein vom Deutschen Institut für Japanstudien (DIJ) in Tokyo das neue Forschungsprojekt zur sozialen Ungleichheit und Fertilität in Japan vor, welches Teil des DIJ-Forschungsschwerpunktes „Herausforderungen des demographischen Wandels“ ist und von ihm in Zusammenarbeit mit Barbara Holthus durchgeführt wird. In diesem Forschungsprojekt sollen mögliche Zusammenhänge zwischen der selbst für ein fortgeschrittenes Industrieland sehr tiefen Fertilitätsrate in Japan und der wachsenden sozialen Ungleichheit, welche in den letzten Jahren in Japan intensiv unter dem Schlagwort kakusa shakai (Gesellschaft sozialer Diskrepanzen) debattiert wird, untersucht werden. In seinem Referat stellte Axel Klein die wichtigsten Ansätze in der wissenschaftlichen Literatur zur sinkenden Fertilitätsrate in Japan und die zentralen Argumentationslinien im kakusa-Diskurs vor und erörterte mögliche Zusammenhänge zwischen den beiden. In der anschließenden Diskussionsrunde wurde die Frage aufgeworfen, inwiefern der neue Diskurs einer zunehmenden sozialen Ungleichheit eine vollkommen neue soziale Realität in den letzten Jahren dokumentiert oder ob es sich hierbei primär um eine neue Entwicklung auf der diskursiven Ebene handelt. Zudem wurden die verschiedenen Faktoren aufgegriffen, welche als mögliche Gründe für die sinkende Fertilität in der wissenschaftlichen Literatur identifiziert werden, und im Zusammenhang mit sozialer Ungleichheit diskutiert.

Es folgte ein Vortrag von Dr. Susanne Klien (Graduate School Asia and Africa in World Reference Systems, Universität Halle-Wittenberg) über ihre Feldforschung zur in der Präfektur Niigata stattfindenden Echigo-Tsumari Art Triennale. Die Triennale selbst ist Teil eines von Stadt, Präfektur und einer Tokyoter Galerie angestoßenen Zehnjahresprojekts und neben dem künstlerischen Reiz der beispielhaft vorgestellten Werke steht hier deutlich auch der Versuch im Vordergrund, mit Hilfe einer weiteren Touristenattraktion eine regionale Revitalisierung zu erreichen. Susanne Klien will die Frage nach Traditionskonstruktion und Identitätsbildung im ländlichen Raum stellen und untersuchen, ob hier in der Manier der furusato-Romantik „frozen identity“ erzeugt und Selbstorientalisierung betrieben wird oder stattdessen dynamischere Traditionskonzepte und Ideen wie die von der „inventiveness of tradition“ weiterführen. Als Methoden sind neben der Analyse von Dokumenten und den ausgestellten Kunstwerken teilnehmende Beobachtung und offene Interviews mit allen Beteiligten vorgesehen, was die häufig eher skeptisch-distanziert eingestellte Lokalbevölkerung einbezieht. Die auch hier lebhafte und konstruktive Diskussion ging sowohl inhaltlichen als auch methodischen Fragen nach, wobei auch einige weitere theoretische Konzepte von den Sitzungsteilnehmern angeführt wurden, welche für die Analyse der Identitätskonstruktion im Kontext der Triennale von Nutzen sein könnten.

David Chiavacci (Universität zu Köln)
Christoph Brumann (Freie Universität Berlin)