Fachgruppensitzung Kultur und Medien 2014

Um Zensur in der Zeitschrift Chûô Kôron und um den Übergang von „Hatespeech“ in den Mainstream ging es bei dem Treffen der Fachgruppe „Kultur und Medien“ bei der VSJF-Jahrestagung 2014 in Berlin. Darüber hinaus wurde das Treffen für einen regen Austausch zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern genutzt. Aktuelle Forschungsprojekte und Berichte von Tagungen standen dabei ebenso auf dem Programm wie ein Austausch über didaktische Konzepte für Seminare zu populärkulturellen Themen. Geleitet wurde das Treffen von Cosima Wagner, Fabian Schäfer und Elisabeth Scherer; Matthias Zachmann war an der Vorbereitung beteiligt.

Sogenannte fuseji standen im Mittelpunkt des Vortrages von Erich Havranek, Doktorand an der Universität Wien. Havranek zeigte auf, wie diese fuseji in den 1920er und 1930er Jahren in der Zeitschrift Chûô Kôron als eine Art Auslassungszeichen anstelle von Begriffen zum Einsatz kamen, die von den Autoren oder Herausgebern als zu heikel angesehen wurden. Dies kam zwar einerseits einer Selbstzensur gleich, andererseits eröffneten diese Zeichen auch die Möglichkeit, auf geschickte Weise Themen anzusprechen, die ansonsten überhaupt keine Präsenz hätten erhalten können.

Erich Havranek hat für seine Untersuchung der fuseji in Chûô Kôron von 1927 bis 1936 das Verfahren der quantitativen Inhaltsanalyse gewählt und die Artikeltitel nach bestimmten Schlüsselwörtern durchsucht. Als ein Ergebnis dieser Analyse stellte er fest, dass vor allem linke Themen in der Zeitschrift mit fuseji versehen wurden. Während 1931 noch viele Artikel zu linken Themen geschrieben wurden, nahmen 1932 die Artikel in diesem Bereich stark ab. Havranek schloss daraus, dass der Druck durch die Zensurbehörden zu groß war, um dauerhaft mit dem Mittel der fuseji brisante Themen zur Sprache bringen zu können. Havranek sieht die fuseji daher weniger als eine Art Stilmittel als ein Instrument der Selbstzensur, dessen strategischer Einsatz auf lange Sicht nicht funktionierte.

In dem Vortrag von Torsten Weber, Mitarbeiter am DIJ Tokyo, ging es darum, wie „Hatespeech“, wie sie u.a. von der ultra-rechten Gruppe Zaitokukai gegenüber Japankoreanern praktiziert wird, in Japan mittlerweile den Übergang in die Mainstream-Medien gefunden hat. Zu Beginn stellte er dar, dass allgemein gerade in Japan ein starker Rechtsruck festzustellen sei, der sich u.a. in extremistischen Aufmärschen und einer Neubewertung des Nationalsozialismus äußere. Häufig kämen in diesen rechten Argumentationen auch historische Bezüge zum Einsatz, wie die „Trostfrauen“ oder die Annexion Koreas. Torsten Webers These ist, dass stereotype Darstellungen und Hasstiraden, die in solchen Kontexten auftauchen, zu einer Desensibilisierung und Gewöhnung führen können. Es entstehe auf diese Weise eine „Konsensarena“, die ermögliche, sich immer weiter rechts zu äußern, ohne dass es als besonders extrem empfunden wird.

Für sein Projekt hat Torsten Weber die Monatszeitschrift Sapio als ein Mainstream-Medium ausgewählt, das eine hohe Auflage hat und sich intensiv mit den Beziehungen zu Korea und China bzw. zu den koreanisch- und chinesischstämmigen Minderheiten in Japan beschäftigt. Weber hat festgestellt, dass der Anti-Koreanismus in Sapio seit 2012 sehr stark ansteigt und sich die Artikel vieler Argumente bedienen, die aus dem rechten Diskurs stammen. China werde jedoch, so Weber, im Vergleich zu Korea in Sapio wesentlich positiver dargestellt. Die revisionistische Geschichtssicht, die auch bei der Zaitokukai vorherrscht, werde in der Zeitschrift offensichtlich aufgegriffen. Als weitere Ansatzpunkte für seine Forschung kündigte Weber an, noch stärker auf die Rezeption dieser Darstellungen und die ästhetische Gestaltung (u.a. der Manga in Sapio) eingehen zu wollen.

In der anschließenden Diskussionsrunde stellten sich zunächst alle Teilnehmer/innen des Treffens vor, bevor auf verschiedene aktuelle Entwicklungen im Bereich Kultur und Medien in Forschung und Lehre eingegangen wurde.

Zunächst berichtete Fabian Schäfer von aktuellen Entwicklungen an der Japanologie Erlangen. Am 11.–13. September 2014 veranstaltete die Erlanger Japanologie die aus Mitteln der Japan Foundation unterstützte internationale Konferenz mit dem Titel “Catastrophes, Digital Public Spheres and the Future of Democracy“. Unter den Gastrednern waren renommierte japanische Gäste, darunter der Medienaktivist Tsuda Daisuke und der Web-Journalist Iwakami Yasumi, der sich insbesondere durch seine kritische Berichterstattung nach der Dreifachkatastrophe einen Namen gemacht hat.

Ein ausführlicher Bericht dazu ist in der Zeitung Tōyō keizai online (–> Link zur Homepage) erschienen. Einen weiteren Artikel hat der Journalist Iwakami Yasumi auf den Seiten des Independent Web Journal (–> Link zur Homepage) veröffentlicht. Eine ausführliche Beschreibung zu dem an der Erlanger Japanologie angesiedelten Forschungsprojekt „Algorithmic Public Spheres and the Future of Democracy“ findet sich auf der Webseite der Japanologie (–> Link zur Homepage).

Cosima Wagner erläuterte ihr Publikationsprojekt „Reconstructing ‚Cool Japan‘ – Japanese Identities after ‚Fukushima’“, das sie im Rahmen des Lehrforschungsprojekts „Cool Japan“-AG an der Goethe-Universität Frankfurt entwickelt hat und auch nach Ihrem Wechsel an die Freie Universität Berlin mit Frankfurter Studierenden fortführt. In den Beiträgen von wissenschaftlichen Kooperationspartner/innen aus Deutschland, Japan, Israel und Südafrika sowie Essays von studentischen AG-Mitgliedern wird nach der Bedeutung der Dreifachkatastrophe des 11. März 2011, insbesondere der Reaktorkatastrophe von „Fukushima“, für die Konstruktion einer (neuen?) Japanizität als „cooler“ Lifestyle-Nation („nation brand“) gefragt. Dabei werden Positionen japanischer Intellektueller ebenso einbezogen wie rechtliche und methodische Fragen der Konstruktion von Identität(en) in transdisziplinärer interkultureller Perspektive. Der Band erscheint voraussichtlich im Herbst 2015 im EB-Verlag Berlin (–> Link zur Homepage).

Ihr Blog-Projekt „Popyura“ (–> Link zur Homepage) stellte Elisabeth Scherer vor: Studierende schreiben parallel zu einem einführenden Seminar zur japanischen Populärkultur eigene Blogartikel, in denen sie ihre Ideen und Interessen zur Sprache bringen. Dies soll eine erste schriftliche Auseinandersetzung ermöglichen und den Studierenden mit Hilfe der Kommentarfunktion auch Feedback zu ihren Gedanken geben. Motivierend soll das Projekt dadurch wirken, dass die Themen ganz frei gewählt werden können und dass mit dem öffentlichen Blog ein größeres Publikum erreicht werden kann. Mit den beiden Bänden „Pop Without Borders“ und „Japanische Populärkultur und Gender“ kündigte Elisabeth Scherer außerdem zwei Sammelbände zur Populärkultur an, die von Mitarbeiterinnen des Instituts für Modernes Japan in Düsseldorf herausgegeben werden.

Aus der Runde der Teilnehmer/innen wurde auf die studentische Konferenz „Queer East Asia“ hingewiesen, die am 20. und 21. März 2015 in Wien stattfindet, sowie auf das nächste Treffen des Forums für literaturwissenschaftliche Japanforschung, das am 15. und 16. Mai 2015 in Bonn abgehalten wird. Erwähnt wurde außerdem, dass in den Ostasienwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum ein großes Interesse an Mediengeschichte und damit auch an einer Vernetzung mit Medien-interessierten Japanolog/innen bestehe.

Cosima Wagner
Fabian Schäfer
Elisabeth Scherer